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MÄRCHENKOCH - FLEISCH/003: Bockwurst-Rührei (SB)


DAS GLÜCKSKIND


Es lebte vor Zeiten einmal ein Kaufmann mit seiner jungen Frau. Sie besaßen nicht sehr viel, doch was sie hatten, war rechtschaffen erworben und es blieb ihnen jeden Monat auch noch genug, um den Armen ein wenig von ihrem Verdienst abzugeben. Als sich eines Tages Gevatter Storch bei ihnen meldete, waren sie außer sich vor Freude und konnten es kaum erwarten, ihr Kindlein endlich in den Armen zu halten.

An einem Sonntag im Frühling wurde ihnen ein kleines Töchterchen geschenkt. Die Maiglöckchen dufteten und die Himmelsschlüssel leuchteten sonnengelb auf den Wiesen, als wollten sie die Welt zur Ankunft des Kindes schmücken.

Die Frau des Kaufmanns war fest davon überzeugt, daß sie einem Glückskind das Leben geschenkt hatte, denn das Mädchen trug auf der rechten Schulter ein Mal, das genau wie ein vierblättriges Kleeblatt aussah.


*


Drei Jahre lang war das kleine Mädchen, dem die Eltern den Namen Mailieb gegeben hatten, ihr ganzes Glück. Wie goldener Sonnenschein wärmte es ihre Herzen und schenkt ihnen soviel Freude, daß sie auch andere noch damit beschenken konnten.

Doch in dem Kaufmann erwachte schließlich der Ehrgeiz und er wollte das Schicksal herausfordern.

"Du sollst uns noch ein Glückskind gebären", sprach er zu seiner Frau. "Dann können wir das Glück, das uns beschieden ist, noch verdoppeln."

Als die Frau tatsächlich wieder guter Hoffnung war, frohlockte der Kaufmann. Doch als es soweit war und das Kind geboren wurde, da kam es tot zur Welt. Die Frau aber tat aus Kummer darob im Kindbett einen letzten Seufzer und verschied.

Der Kaufmann verbitterte darob so sehr, daß er sein Glückskind Mailieb ganz vergaß. Wenn eine gutherzige Nachbarin sich des Kindes nicht angenommen und ihm zu Essen gebracht hätte, wäre es sicherlich verhungert.


*


Nach einem Jahr war der Kaufmann es leid, sein Haus selbst zu bestellen, und er nahm sich eine Frau, die schon zwei Töcher hatte. So geschah es, daß Mailieb eine Stiefmutter bekam. Die Stiefmutter aber hatte nur Augen für ihre eigenen Töchter und Mailieb mußte alle niederen Arbeiten verrichten, während die beiden anderen Mädchen sich putzten oder auf der Ofenbank lagen. Ständig führten sie über Mailieb Klage und ließen kein gutes Haar an dem Kinde, denn sie waren zum Glücklichsein zu schlecht.

"Du kriechst im Haus herum wie eine Schnecke, kein Wunder, daß du mit deiner Arbeit nicht fertig wirst", schalt die eine.

"Schau nur, wie schmutzig ihr Kittel ist, ganz so, als wenn sie eine Köhlerliesel wär", beklagte sich die andere.

Und die Stiefmutter tat noch ihr Teil dazu, indem sie spottete: "Seht nur, wie töricht sie wieder lächelt. Seid froh, daß dieses Mondkalb nicht eure Schwester ist."

Mailiebs Vater aber mochte von all dem nichts hören. Wenn Mailieb sich ihm anvertrauen wollte, sagte er nur, sie solle ihn mit dem Weibergezänk verschonen, er habe genug andere Sorgen.

Weil Mailieb immer nur im Hause arbeiten mußte und mit niemand anderem mehr zusammentraf, bekam sie ihr Lebtag nichts anderes zu hören als Spott und Schelte. So geschah es, daß sie selbst von sich dachte, ein dummes, häßliches Ding zu sein und sie fing an, sich ihrer selbst zu schämen. Und je mehr sie sich schämte, umso mehr ging der beglückende Zauber verloren, der ihr einst zu eigen gewesen war.


*


Als Mailieb in das Alter kam, um in fremde Dienst zu treten und im nahen Schloß als Küchenmagd eine Anstellung fand, war aus ihr ein graumäusiges, schweigsames Geschöpf geworden, das sich selbst nicht leiden konnte und daher auch keinem anderen zugetan war.

Eines Morgens stand Mailieb am Brunnen, um Wasser zu holen. Neben ihr stand die alte Amme des Prinzen, die eine weise Frau war. Als Mailieb ihren gefüllten Eimer heraufzog, glitt ihr das wollene Umschlagtuch von der Schulter, so daß der Blick der alten Frau auf das Kleeblatt fiel. Da huschte ein wissendes Lächeln über das gütige Gesicht der Alten, und sie sprach zu dem Mädchen:

"Liebes Kind, es würde mich freuen, wenn du mich heute abend einmal besuchen tätest. Ich wohne dort drüben in dem kleinen Ziegelhaus am Rande des Schloßparks."

Jemand wird sich wohl über mich beklagt haben, dachte Mailieb. Da ist es wohl besser, wenn ich hingehe, denn die Amme hat großen Einfluß im Schloß.

"Ich werde bestimmt kommen", sagte sie zu der alten Frau. Dann wandte sie sich hastig um und eilte der Schloßküche zu.


*


Das Häuschen der Amme war sehr behaglich eingerichtet und mutete ganz anders an, als Mailieb es von ihrer lieblosen Stiefmutter gewöhnt war. Jedes Ding war irgendwie mit einem stillen Leben erfüllt und Mailieb kam sich in dieser Umgebung nur umso lebloser und erbärmlicher vor.

"Komm und setz dich, mein Kind", sprach da die alte Frau freundlich auf sie ein. "Ich bin glücklich, daß du den Weg zu mir gefunden hast.

Nun wird sie gleich zu schelten beginne, dachte Mailieb und zog den Kopf noch ein wenig mehr zwischen die Schultern. Doch die alte Frau dachte gar nicht daran. Stattdessen stellte sie einen großen Teller mit Rührei vor Mailieb hin, aus dem dicke Bockwurstscheiben hervorlugten.

Mailieb konnte zunächst gar nicht glauben, daß die alte Frau das Rührei extra für sie zubereitet hatte, denn sie war nicht daran gewöhnt, daß jemand ihr etwas Gutes tat. Doch weil die Alte so freundlich mit ihr plauderte, vergaß Mailieb bald ganz und gar, sich dumm und häßlich zu fühlen und ließ sich das köstliche Rührei schmecken.

Von nun an ging Mailieb jeden Abend zu der alten Amme, und sie gewann sie so lieb wie ihre leibliche Mutter. Schon bald war Mailieb nicht mehr wiederzuerkennen, denn aus dem grauen, verschlossenen Kind war ein wunderschönes Mädchen geworden, das jeden mit Sonne erfüllte, der ihm nur von Herzen zugetan war.

Dessen wurde auch der Prinz gewahr, der Mailieb eines Abends im Schloßpark begegnete, als er seine alte Amme besuchen wollte. Hals über Kopf verliebte er sich in sie und wollte keine andere mehr zur Braut als sie allein. Und so kam es, daß Mailieb mit dem Prinzen vermählt wurde. Die Stiefmutter aber und ihre Töchter wurden vor Neid so unleidlich, daß Mailiebs Vater sie schließlich des Hauses verwies. Der Prinz aber wurde mit seiner Frau so glücklich, wie es nur jemand sein kann, der ein Glückskind geheiratet hat.


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BOCKWURST-RÜHREI
Zutaten für 2 Personen

4 Eier
2 Bockwürste
4 EL Milch
1 Bund Schnittlauch, in Röllchen geschnitten
Salz
Pfeffer
Margarine zum Braten


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Die Bockwürste in Scheiben schneiden und in Margarine schön braun braten.

Die Eier mit Milch, Salz und einer Prise Pfeffer verquirlen.

Die Eier über die Würstchenscheiben gießen und das Rührei bei milder Hitze stocken lassen, so daß es fest, aber nicht braun wird.

Das Bockwurst-Rührei auf zwei Tellern anrichten und mit den Schnittlauchröllchen garnieren.


Erstveröffentlichung am 2.11.1997

4. April 2007