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MÄRCHENKOCH - SUPPE/003: Tomatencremesuppe mit Cornflakes (SB)


DER GRÜBELPETER


Es lebte einmal ein Mann, der hatte zwei Kinder, Peter, der schon fast erwachsen war, und das kleine Lieschen. Beide waren ihm sehr ans Herz gewachsen, doch es war der Sohn, der ihm insgeheim Kummer bereitete. Statt mit den anderen jungen Burschen auf die Jagd zu gehen oder den Nachbarn verwegene Streiche zu spielen, saß er nur vor dem Haus auf dem Brunnenrand, schaute hinab in das dunkle Wasser und grübelte. Und weil er nicht durch Schmeicheln und nicht durch Schelten davon abzubringen war, wurde er überall im Dorf nur noch der Grübelpeter genannt.


*


Eines Tages nun trat Lieschen zu ihrem großen Bruder, der wieder auf dem Brunnenrand saß, und stellte sich neben ihn hin. Nachdem sie eine ganze Weile dort gestanden und in das dunkle Wasser geblickt hatte, fragte sie ihn: "Brüderchen, worüber grübelst du?"

Ohne auch nur ein einziges Mal aufzublicken erwiderte dieser: "Ich grüble über den Sinn des Lebens."

"Und weshalb schaust du immerfort in das Wasser hinein?" wollte Lieschen nun wissen.

"Wenn ich nur lange genug hineinblicke und mich durch nichts davon abbringen lasse, wird sich mir eines Tages der Sinn offenbaren." entgegnete der Bruder voller Überzeugung.

"Ich werde dir helfen, den Sinn zu finden", versprach darauf das kleine Lieschen treuherzig, aber der Grübelpeter hörte gar nicht mehr hin.

Da lief Lieschen aus dem Dorf hinaus und immer weiter in den Wald hinein, bis sie zur Kate des alten Wurzelweibleins kam. Sie war früher schon einmal mit dem Vater dorthin gegangen, der sich in einer kummervollen Stunde bei dem Weiblein Rat geholt hatte. Warum sollte es ihr nicht auch helfen können? Das Wurzelweiblein stand in ihrem Garten und pflückte Holunderbeeren.

"Möchtest du ein paar Beeren naschen?" fragt sie Lieschen, die schüchtern nähergetreten war.

"Ich möchte für meinen großen Bruder, den Grübelpeter, den Sinn des Lebens finden", erwiderte Lieschen mit großem Ernst. "Dann muß er nicht mehr jeden Tag auf dem Brunnenrand sitzen und in das Wasser starren."

Das Wurzelweiblein wackelte nachdenklich mit dem Kopf, als müßte sie eine schwerwiegende Entscheidung treffen. Dann wandte sie sich um und ging wortlos in die Kate hinein. Lieschen sah, wie sie aus der großen schwarzen Holztruhe ein kleines Beutelchen hervorzog. Sie reichte es dem Kind mit den Worten: "Morgen bei Sonnenaufgang, bevor dein Brüderchen wieder am Brunnen sitzt, streue dieses Pulver in das Wasser hinein. Und ehe die Sonne wieder sinkt, wird sich ihm der Sinn des Lebens offenbaren."

Lieschen dankte dem Wurzelweiblein herzlich, nahm den Beutel und lief geschwind nach Hause zurück. Und in aller Frühe, als im Haus noch alles in tiefem Schlummer lag, schlich sie sich hinaus und tat das Pulver aus dem Beutel in den Brunnen hinein. Dann legte sie sich wieder ins Bett, so als wäre nichts geschehen.


*


Als der Grübelpeter sich am nächsten Morgen auf den Brunnenrand setzte, erschien ihm das Wasser gleich dunkler und geheimnisvoller als je zuvor. Und wie er seinen Blick über die spiegelglatte Oberfläche gleiten ließ, begann es im Brunnen plötzlich zu wallen und zu brodeln. Die Augen des Grübelpeters weiteten sich vor Erstaunen und Erwartung, denn endlich sollte seine Geduld belohnt werden. "Nun werde ich erfahren, was der Sinn des Lebens ist", murmelte er beinahe andächtig.

Und aus dem Wasser des Brunnens hob sich ihm ein Gesicht entgegen, das war so furchterregend und grauenvoll, daß dem Grübelpeter alles Blut zum Herzen lief, so sehr erschrak er. Er wollte davonlaufen, doch irgendetwas hielt ihn am Brunnen fest und er mußte tief in den aufgerissenen Rachen der Kreatur blicken, die ihm aus dem Wasser entgegenstarrte. Es erschien ihm wie eine Ewigkeit, bis das entsetzliche Geschöpf endlich wieder in der Tiefe des Brunnens versank.

"Wenn das der Sinn des Lebens ist, so will ich mit ihm nie wieder etwas zu schaffen haben!" rief der Grübelpeter aus. "Von jetzt an bestimme ich selbst, was ich tun möchte, und wenn es noch so sinnlos ist, so ist es mir doch allemal lieber, als diesem Ungeheuer zu dienen."

Nun fiel dem Grübelpeter auch seine geliebte Schwester wieder ein, die er über seinen Grübeleien fast vergessen hatte. Er rief nach Lieschen, die sogleich herbeigerannt kam. Ihr Mund war noch ganz rot umrandet von der Tomatensuppe, die sie gerade mit dem Vater in der Küche gegessen hatte, so als würde ihr ein roter Bart wachsen. Übermütig hob Peter sie hoch und wirbelte sie herum.

"Wie hat der Sinn des Lebens denn ausgesehen?" konnte Lieschen ihre Neugier nicht bezähmen, als er sie wieder auf die Füße gestellt hatte. Für einen kurzen Augenblick umwölkte sich Peters Stirn, denn er wollte die Schwester mit der Wahrheit nicht ängstigen. Doch dann lachte er hellauf und sprach: "Ich habe beschlossen, meinem Leben selbst einen Sinn zu geben, und der sieht ungefähr so aus wie du und trägt einen tomatenroten Bart." Damit war Lieschen zufrieden und ihr Bruder war es auch, denn er brauchte nun nicht mehr auf dem Brunnenrand zu sitzen und zu grübeln.


*


TOMATENCREMESUPPE MIT CORNFLAKES
(Zutaten für 2-3 Personen)

600 g Fleischtomaten
150 ml kräftige Brühe (instant)
5 EL Tomatenketchup
200 ml Schlagsahne
1 geh. TL Zucker
1 TL Butter
1-2 TL Speisestärke
1/4 Tasse Milch
Pfeffer
Salz
2-3 Portionen Cornflakes


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Die Tomaten achteln und mit der Brühe in einen Topf geben. Bei schwacher Hitze etwa 20 Minuten leise köcheln lassen. Gegebenenfalls noch ein wenig Brühe nachgießen, damit die Tomaten nicht ansetzen.

Die gekochten Tomaten durch ein Sieb passieren und mit der Sahne, der Butter, dem Ketchup und dem Zucker erneut erhitzen. Die Speisestärke mit der Milch verrühren und in den Topf geben. Einmal kurz aufkochen lassen.

Die Suppe mit Salz und Pfeffer abschmecken. Falls man sie lieber dünner mag, etwas Brühe hinzufügen, und wer es besonders cremig liebt, nimmt etwas mehr Speisestärke zum Andicken.

Die Suppe in die Teller geben und in der Mitte mit einem großen Berg Cornflakes garnieren. Die restlichen Cornflakes in Schälchen dazu servieren.


Erstveröffentlichung am 08.01.1998

16. Mai 2007