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TIPS/047: Übel- und Wohltäter Ananas (SB)


Übel- und Wohltäter Ananas


Weder Pinie noch Apfel - und dennoch heißt die Ananas bei unseren britischen Nachbarn "Pineapple". Der Grund mag darin liegen, daß die Frucht dieser tropischen Pflanze den Zapfen der Pinie sehr ähnlich sieht. Da dieses aromatische Obst ganzjährig aus der Elfenbeinküste, Südafrika und Kenia in großen Mengen auf den deutschen Markt kommt, ist der Koch mittlerweile in der Lage, mit frischer Ware zu arbeiten, statt, wie früher meist, auf Konserven zurückgreifen zu müssen. Aber: Quarkspeisen, Mousses, Cremes oder Gratins, die Milch(-produkte), Eier oder Gelantine enthalten und mit frischen Ananas zubereitet werden, mißlingen. Desserts beispielsweise verlieren ihre flauschig-stabile Beschaffenheit, werden flüssig und schmecken bitter, wenn sie eine Weile stehen. Woran liegt das?

Bromelain als Übel- ...

Neben zahlreichen wertvollen Nährstoffen wie Vitamin A und C, Calcium, Kalium, Magnesium, Mangan, Phosphor, Eisen, Jod, Zink und Kohlehydrate enthält die leckere Frucht nämlich auch ein aggressives, Eiweiß spaltendes Enzym mit Namen 'Bromelain' (auch 'Bromelin').

Enzyme (gleichbed. mit lat. "Ferment") gelten als "Biokatalysatoren", welche chemische Prozesse in einer Speise beschleunigen. Das heißt, kommen Milch, Sahne, Frischkäse oder Joghurt mit Bromelain in Kontakt, setzt umgehend der Abbauprozeß des Eiweißes ein. Milchprotein wird in Casein gespalten und diese Spaltprodukte schmecken bitter.

Auch Gelees, die aus Gelantine zubereitet werden, sind davon betroffen: Ein paar dekorative frische Ananasstückchen reichen, um den schönen Wackelpudding in ein flüssiges Etwas zu verwandeln. Hier spaltet Bromelain das Leimeiweiß Kollagen. Vorsicht ist übrigens ebenfalls bei Kiwi und Papaya geboten, auch sie enthalten solch aggressive Enzyme (im Falle von Papaya ist es "Papain", beim Kiwi "Actinidin") mit ähnlicher Wirkung.

Ist das Kind erst in den Brunnen gefallen, hat der Zersetzungsprozeß also begonnen, hilft nur noch eines: zügig aufessen, solange es noch schmeckt.

... und Wohltäter

Genau das, was eigentlich destruktiv wirkt, kann aber auch durchaus konstruktiv sein. Ist ein Bratenfleisch zäh, macht eine Marinade mit frischen Ananasstücken es wieder zart. Außerdem hat es auf den Stoffwechsel eine außerordentlich positive Wirkung. Gerade die Fähigkeit des Bromelains, Reaktionsprozesse zu beschleunigen, macht es zum idealen Unterstützer der körpereigenen Enzyme, die aufgenommene Nahrung in seine Bausteine zu zerlegen.

Das ist bei der heutigen Ernährungsweise besonders nötig, da diese sehr eiweißhaltig ist und viele gekochte Speisen aus industriell verarbeiteten Zutaten bestehen. Die Verdauungsorgane müssen deshalb regelrechte Schwerstarbeit leisten. Greifen Sie also ruhig öfter einmal nach einer deftigen Mahlzeit oder auch einem schnellen Fertiggericht als Nachtisch zu einer frischen Ananas.

Medizinisch gesehen ist Bromelain wertvoll, da es unter anderem Entzündungen hemmt und die Durchblutung fördert. Es wird auch als besonders blutreinigend beschrieben und kann zudem aufgrund seiner abschwellenden Wirkung Heilungsprozesse unterstützen. Auch als "Müllabfuhr" im Körper nützt Bromelain. So wird es - wie auch Papain - beispielsweise als natürliches Wurmmittel eingesetzt, da es lebende Darmparasiten angreift. Schlackenstoffe werden vom Bromelain entsorgt, was besonders im Alter wichtig ist, weil solche Reinigungsprozesse dann wesentlich schwerfälliger vonstatten gehen.


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Auf der Basis dieses Wissens bleibt es dem Koch überlassen, abzuwägen, inwieweit er sich die Vorteile zunutze macht und den Nachteilen entgegenwirkt. Auf ein Dessert aus Ananas braucht er jedenfalls nicht verzichten, denn Bromelain verliert die Wirksamkeit, sobald es erhitzt (oder auf Konserven zurückgegriffen) wird. Allerdings bleiben dann auch die Vitamine und die verdauensfördernde Wirkung auf der Strecke.

10. Februar 2012