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METROPOL/016: Bleib - Es beginnt im Norden (SB)


Bleib - Es beginnt im Norden


Es sind diese Orte, die uns wohl überall auf der Welt neu überraschen. Ich nenne sie einfach Böse Orte. Manche haben auch andere Worte dafür. Und manch einer weiß wohl gar nicht, wovon ich spreche. Direkt ins tiefste Böse wurde ich katapultiert, als die dunkle Stadt mein zu Hause wurde.

Auf den Nebel zurückblickend, der mich dort beherrschte, höre ich mit einem Mal ein Knistern aus selbiger Richtung. Tief verborgen im Labyrinth der Häuser mit den Mäulern und Straßen, die eindeutig besetzt sind mit langen Zahnreihen, könnte man es erahnen, meine Geschichte beginnt hier.

Es ist das Märchen der Bösen Orte, jedoch eines, welches mit Blut geschrieben sein muss. Einzig die Länge eines Fußweges von zehn Minuten hat es und benötigt keinen anderen oder größeren Schauplatz, als den eines englischen Parks, am Abend, bei Nacht am frühen Sonntagmorgen. Es ist der Spaziergang des einsamen Menschen, des Menschen, der am Samstag Früh-Abend, am Sonntagmorgen um sechs, oder auch an einem gewöhnlichen Mittwoch, kurz bevor die Nacht beginnt, nichts mit sich anzufangen weiß, als von seinem Nordlondoner WG Standort bis zur Tube Station bei Manor House zu pilgern, je nach Lichtverhältnissen, mal am Park vorbei, mal mitten hindurch.

Foto: © 2010 by Schattenblick

Foto: © 2010 by Schattenblick

Dieser Mensch ging dorthin, nur um sich vor den kleinen Costcutter Supermarkt zu stellen. Sich dort hinzustellen und sich zu fürchten. Sich zu fürchten ob der großen Straße. Ob der Araber. Ob der Weißen. Ob der Schwarzen. Ob der Junkies. Ob der Kids. Am meisten jedoch ob derer, die ihm verwandt zu sein scheinen und es nicht sind. Denn die Fremde trennt ihn. Und die Luft, der Geruch von Metall und Kälte. Bei einem regelmäßig langen Blick in den Himmel, beizeiten auch die Sterne, sortiert es sich in eben dieser Regelmäßigkeit: Es macht Sinn, denn der Weltraum ist runter gekommen, seine unverwechselbare Kälte beherrscht das Bild. Dieser Mensch wundert sich nicht. Als abgebrannte Heimat wurde er in diese Umgebung gespuckt. Leer und kalt, der Wind pfeift, und so fällt er in dieser Landschaft noch am wenigsten auf. Sucht sie auf, im Abgleich und um ganz profan den Alpträumen zu entfliehen.

Objektiv blieb dieser Ort böse, lange, nein für immer. Durch die Kälte läufst du hier, oft gezwungen, aus Platzmangel die Häuser zu berühren. Berührung und weg, immer wieder und nochmal.
Bleib. Lehn dich an. Es brennt sich ein, spürst du den Schmerz?
Bleib. Denn diese Orte sind für dich da. Du spürst die Verbrennung sofort.
Bleib. Denn dort verbrachte ich die leerste und lehrreichste Zeit meines Lebens.
Komm in die große Stadt, du musst nicht danach suchen, an kaum einem anderen Ort gibt es so viel, das nicht stimmt. Lehn dich dort an, es brennt.
Der Schmerz, fühle ihn. Andere haben ihn nicht mehr, haben ihn bereits verloren. Er ist dein Funke.
Er bist Du.
Bleib.

Foto: © 2010 by Schattenblick

Foto: © 2010 by Schattenblick











Ich grüße von dort, aus der dunklen Stadt
BB


8. September 2011