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METROPOL/017: Liebe Dunkle Stadt ... (SB)


Liebe Dunkle Stadt,



wie geht es Dir? Ich habe lange nichts mehr von Dir gehört. Zugegeben, es war auch schwer, mich zu erreichen. Das Telefon war aus und der Briefkasten wurde ignoriert. Meinen Computer hab ich wohl gar nicht angeschaltet. Du hättest mich also nur besuchen können, bin aber nicht sicher, ob ich beim Klingeln auch die Tür geöffnet hätt'.

Bei Dir ist Frühling, wurde mir zugetragen? Ist es auch so neblig? Dort wo ich bin, kann man kaum zwei Meter weit sehen. Aber nein, Moment, ich hab doch etwas von viel Sonne gelesen. Und warm war es bei Dir.
Als ich jedoch hörte, dass der große Durst Dich zu überwältigen droht, beschloss ich, Dir zu schreiben. Zu sehen, ob es Dir gut geht. Kein Regen, ja? Es herrscht Dürre? Ich kann es kaum glauben. Warst Du doch immer einer der fruchtbarsten Orte dieser Erde! Ja, wohl wahr, vielleicht in anderen Bereichen als nun gerade der Landwirtschaft. Jedoch hast Du Dich nie über zu wenig Wasser beklagt.
Könnte es sein, dass der große Hunger, von dem Du mir schon oft erzähltest, der Dich so schmerzte, nun die Gestalt des großen Durstes angenommen hat? Hat er Dich am Boden? Es ist der selbe Feind, oder? Er lässt Dich nicht atmen, nicht wahr?

Foto: © 2012 by Schattenblick

Foto: © 2012 by Schattenblick

Als Deine Freundin sorge ich mich sehr! Ich erinnere mich noch genau, wie ich Dich vor fünf Jahren kennen lernte. Ich mochte Dich nicht besonders, muss ich Dir sagen. Hielt Dich für arrogant und etwas drüber. Doch schlimm wurde es erst, als ich nach einigen Monaten begann, Dich an mein Herz zu lassen. Ja, ich fing an Dich zu mögen. Nun ist es wohl bekannt, dass man denen, die einem das Herz berühren, mit größter Vorsicht begegnen, sich vielleicht sogar von ihnen abwenden sollte. Denn sie sind gefährlich. Und so hast Du mich stark gemacht. Ich habe nicht viele in meinem Leben getroffen, die mich so viel lehrten, mit so viel Schmerz und doch immer ganz nah an meiner Seite blieben.
Denn ich wandte mich von Dir ab. Durchwanderte Deine Straßen, doch war entschlossen, Dich nicht zu sehen. Traf Deine Bewohner, war aber überzeugt, nicht mit ihnen sprechen zu wollen. Und ich atmete Deine Luft. Ignorierte aber vollends Deine Anwesenheit. Und Du ließt mich gewähren. Ließt mich gehen und atmen. Und schweigen. Dann, auf einmal merkte ich, dass Du da warst. Ich weiß nicht, wann oder wie. Du warst einfach da. Neben mir und hieltest meine Hand. Hinter mir, warst mein Rückhalt und vor mir, zeigtest Dich als meine Zukunft.
Und dann warst Du auch in mir drin. Ob ich wollte oder nicht, Du wurdest ein Teil von mir. Als jener Teil nun, jedoch noch viel mehr als Freundin, möchte ich Dich warnen. Sie werden Dir die Luft nehmen. Ich habe es gesehen, wie andere wie Du unter der Last erstickten. Lass es nicht zu! Du bist eine Seele. Du bist Die Seele. Du bist am Leben. Lass es Dir nicht nehmen. Ich kann Dir aus schmerzhafter Erfahrung eine gute Nachricht überbringen: Man ist immer etwas stärker als jene, die einen tot sehen wollen!

Liebe Dunkle Stadt, Du hast mir das Leben gerettet. Sei Dir gewiss. Du hast eine Freundin in Ewigkeit. Ich werde mich nicht von Dir verabschieden, denn das gibt es bei mir nicht.
Egal wo ich bin.
Also, hol tief Luft! Ich tu es auch.

Foto: © 2010 by Schattenblick

Foto: © 2010 by Schattenblick











In fester Treue grüße ich von der Grenze
BB


11.04.2012