Schattenblick →INFOPOOL →UNTERHALTUNG → REISEN

TOURTIP/895: Der Dümmer in Niedersachsen (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 7/2008

Der Dümmer in Niedersachsen
Wasser- und Wiesenvögel an der Hunte

Von Thomas Brandt, Cordula Jülch und Kilian Wasmer


Im Südwesten Niedersachsens liegt, umgeben von weitläufigen Grünländereien auf Niedermooren, der Dümmer. Der zweitgrößte See Niedersachsens und die angrenzenden Schutzgebiete Ochsenmoor und Osterfeiner Moor sind aufgrund ihrer hohen Bedeutung für Brut- und Rastvögel seit Jahrzehnten das Ziel von Vogelbeobachtern, die hier eine hervorragende Infrastruktur vorfinden.

Rund um den See wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten etwa 2500 ha Land aufgekauft und so vor allem für den Wiesenvogelschutz langfristig gesichert. Innerhalb dieser Gebietskulisse wurden 400 ha Ackerland in Grünland umgewandelt, die landwirtschaftliche Nutzung extensiviert und große vormals entwässerte Teilgebiete wieder vernässt. So entstand zusammen mit dem See ein rund 4500 ha großer Komplex aus unterschiedlichen, stark miteinander verbundenen Lebensräumen. Die Sünden der Vergangenheit, wie die Eindeichung des Dümmers im Jahr 1953 oder die Entwässerung der Niedermoore, konnten damit wenigstens in einem Teil der früher großräumig vernässten Niederung wieder gutgemacht werden. Der See und sein Umfeld sind heute ein Feuchtgebiet internationaler Bedeutung und "Natura 2000"-Gebiet - und einer der für den Vogelschutz wertvollsten Bereiche Niedersachsens.


Lebensräume

Kern des Gebietes ist der rund 16 km2 große, eingedeichte See (mittlere Wassertiefe 1,0 m, maximal 1,5 m) mit ausgedehnten Schwimmblattteppichen aus See- und Teichrosen und breiten Schilfzonen. Die breiteste Schilfzone liegt am Südufer des Sees. Westlich und südöstlich des Sees befinden sich kleinere von Schwarzerlen dominierte Bruchwälder.

Im Süden grenzt das rund 1000 ha große Ochsenmoor an den Dümmer an. Es besteht heute fast ausschließlich aus bewirtschafteten Feucht- und Nasswiesen und enthält vereinzelte Gewässer. Das etwa gleich große und ebenfalls hauptsächlich als Grünland genutzte Osterfeiner Moor liegt nördlich des Sees. Auch hier wurden für den Wiesenvogelschutz zahlreiche Wiedervernässungsmaßnahmen durchgeführt. Ortschaften befinden sich am Ostufer (Hüde und Lembruch) und am Nordwestufer (Olgahafen, Dümmerlohausen).


Besondere Vogelarten

Das Gebiet gilt als Eldorado für Beobachter von Wasser- und Wiesenvögeln. Auf den Teich- und Seerosenteppichen im Süden der Seefläche brüten alljährlich etwa 100 Trauerseeschwalbenpaare, dazu Hunderte von Lachmöwen- und zahlreiche Haubentaucherpaare. Zwischen den Lachmöwen lassen sich auch einige Schwarzhalstaucher entdecken, die nahe der Kolonie ihre Nester anlegen. Im Schilfgürtel (vor allem am Süd- und Westufer) leben u. a. Blaukehlchen, Rohrschwirle, Schilfrohrsänger und Bartmeisen. Hier brüten auch Graugänse, Tafelenten und einige Rohrweihenpaare. Rohrdommeln sind im Sommerhalbjahr nur noch sporadisch zu hören oder zu sehen.

In den Feucht- und Nasswiesen brütet eine für heutige Verhältnisse stattliche Anzahl von Wiesenlimikolen. Kiebitze, Uferschnepfen, Große Brachvögel und Bekassinen wird man zur richtigen Jahreszeit auf jeden Fall antreffen. Fast alljährlich gehören auch Wachtelkönige und Tüpfelrallen zum Brutvogelspektrum. Selten brütet die Sumpfohreule im Gebiet; sie lässt sich hier nur in sehr mäusereichen Jahren nieder. Vor allem die bis Juli überstauten Flächen ziehen sowohl Brut-, als auch Rastvögel an. Hier wird man auch auf der Suche nach durchziehenden Limikolen schnell fündig, wie z. B. Kampfläufer, Grün- und Rotschenkel, Dunkle Wasserläufer oder Alpenstrandläufer. Aber auch von den Entenvögeln sind fast alle Arten zur geeigneten Jahreszeit zu beobachten. Pfeif-, Schnatter-, Löffel-, Spieß-, Knäk- und Krickenten sind im Frühjahr häufig auf den dann überstauten Wiesen anzutreffen. Im Herbst und ggf. auch im Winter halten sie sich eher auf dem See auf. Für Schell-, Reiher- und Tafelenten sowie Gänse- und Zwergsäger ist das ausschließlich der Fall. Bless- und Saatgänse, dazwischen manchmal Weißwangengänse, pendeln zwischen dem See und den Wiesen hin und her.

Ab dem Spätsommer sind Silberreiher am Dümmer anwesend. Sie überwinterten in den letzten Jahren regelmäßig; im Winter 2007/2008 waren es sogar über 250 Individuen!

In den Bruchwäldern und Weidengebüschen rund um den See brüten Pirole, Nachtigallen und Gelbspötter, seltener Kleinspechte. Eine große Saatkrähenkolonie befindet sich südlich des Sees nahe Hüde. Im Gebiet werden außerdem viele Seltenheiten beobachtet: Schwarzflügelbrachschwalbe, Stelzenläufer und Seidenreiher sind nur einige davon.


Reisezeit

Der Dümmer ist ganzjährig ein hervorragendes Beobachtungsgebiet. Im Winter besuchen riesige Entenschwärme die Wasserfläche (vor allem die Südbucht). Ab Oktober treffen Bless- und Saatgänse zu Tausenden ein, zeitweise sind es deutlich mehr als 10000. Ab Ende Februar beginnt der Frühjahrsdurchzug. Dann kommen zusätzlich Tausende Kiebitze in das Gebiet, um hier zu rasten. Zwischen ihnen kann man oft Goldregenpfeifer entdecken. Löffel-, Schnatter-, Spieß- und Knäkenten sind ab März ebenfalls zahlreich anzutreffen. Im März kehren auch die dann bald brütenden Bekassinen, Uferschnepfen und Brachvögel in ihre Reviere zurück. Blaukehlchen singen ab Anfang April, Rohrschwirle sowie Teich- und Schilfrohrsänger sind ab Mitte April im Röhricht zu hören. Fischadler halten sich von Ende März bis September am See auf.

Der Winter ist die beste Zeit, um eine der seltenen Rohrdommeln zu sehen. Gänse- und Zwergsäger fischen von Oktober bis März auf dem See und seinen Nebengewässern.


Beobachtungsmöglichkeiten

Die besten Beobachtungsmöglichkeiten bietet der 18 km lange Rundweg auf dem Dümmerdeich (Gehzeit 4,5 Stunden), vor allem das Süd- und Westufer. Das Westufer ist Bestandteil des Naturerlebnispfades Dümmerufer. Vom Deich aus erhält man gute Einblicke in den Röhrichtgürtel, in einen Erlenbruchwald, auf die Südbucht des Sees und stellenweise auch auf das Ochsenmoor. Der Aussichtsturm am Südufer ist hier der lohnenswerteste Anlaufpunkt. Weitere Beobachtungstürme liegen direkt am Deichweg und zwar an allen "Seiten" des Dümmers: Der Westturm südlich vom Olgahafen am westlichen Seeufer (Blaukehlchen, Schilfrohrsänger), am nördlichen Ufer am Hunteausfluss und der Ostturm zwischen Hüde und Lembruch zwischen dem See und dem Naturschutzgebiet Hohe Sieben. Die den Ortschaften nahe gelegenen Strecken des Deiches sollte man an Sonn- und Feiertagen zwischen 10 und 18 Uhr meiden, wenn man ungestört Vögel beobachten möchte.

Das Ochsenmoor ist ebenfalls gut erschlossen. Nicht durch Sperren beruhigte Wege dürfen begangen oder sogar mit dem Auto befahren werden. Ideal um Wiesenbewohner zu beobachten, ist die Straße zwischen der Ortschaft Marl und dem Schäferhof. Rund 700 Meter östlich vor dem Schäferhof zweigt eine asphaltierte Straße nach Norden ab (Einbahnstraße!). Gleich rechts, also östlich dieser Straße, liegen sehr nasse Flächen, die bis Juli überschwemmt sind und einen wahren Magneten für Limikolen, Möwen und Trauerseeschwalben darstellen. Die Straße verläuft parallel zur Hunte. An ihrem Ende biegt man nach rechts ab und fährt parallel zum Randkanal nach Osten. Linker Hand liegen nasse Wiesen, die mit Hilfe einer kleinen Windmühle bewässert werden. Dann gelangt man - am Südturm vorbei - nach nur rund 100 Metern zu einem in einem kleinen Erlenbruchwald gelegenen Parkplatz. Dieser ist ein idealer Ausgangspunkt für Touren auf dem Rundwanderweg Dümmerdeich. Durch den Erlenbruchwald führt unweit des Parkplatzes ein kleiner Pfad in südliche Richtung. Über diesen erreicht man einen hohen Beobachtungsturm, von dem aus man einen weiten Blick über das Ochsenmoor hat. Von dort aus führt ein ebenfalls unbefestigter Weg nach Osten zur Naturschutzstation. Weg und Turm sind Bestandteil des Naturerlebnispfades Dümmer.

Im Osterfeiner Moor wurde 2006 eine neue, hervorragend positionierte Beobachtungshütte gebaut (barrierefrei). Von dort hat man einen guten Blick auf ein größeres Gewässer und nasse Wiesen. Die gesamte Bandbreite an Limikolen und Wasservögeln lässt sich hier im Laufe eines Jahres beobachten. In größerer Entfernung (Richtung Nordost) kann man ein Fischadlernest auf einem Leitungsmasten sehen. Dabei handelt es sich um den bislang am weitesten westlich gelegenen Fischadlerbrutplatz in Niedersachsen. Die Vögel brüteten hier erstmalig 2004, wechselten allerdings gelegentlich den Nistplatz. Die wenig frequentierte Beobachtungshütte liegt nördlich der Landesstraße 853 zwischen Dümmerlohhausen und Lembruch (s. Karte). Von einem Parkplatz an der Landesstraße sind es rund 800 Meter zu Fuß auf einem befestigten Weg, der durch Wiesen und an einem kleinen Gehölz vorbeiführt.

Vor allem Besuchern, die zum ersten Mal am Dümmer sind, sei eine Visite der Naturschutzstation empfohlen. Hier gibt es eine informative Ausstellung zum Thema Wiesenvogelschutz. Sehr gutes Informationsmaterial und Karten sind hier ebenfalls erhältlich. Die Ausstellung ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, sie wird allerdings nicht personell betreut. Ein sehr hübscher und liebevoll vom Naturschutzring Dümmer e. V. gestalteter Erlebnisgarten liegt unmittelbar an der Station und lädt, vor allem auch mit Kindern, zum Verweilen ein.

Themenbezogene Naturerlebnisrouten (herausgegeben vom Naturpark Dümmer e. V.) gibt es u. a. zu den Themen "Frühling in den Wiesen", "Vogelkonzert am Dümmer", "Rund um die Hohe Sieben", "Blütenpflanzen am Wegesrand", "Insekten im Hochsommer", "Winter am See" und "Winter in den Wiesen". Zu allen Routen gibt es jeweils ein schön gestaltetes Faltblatt mit Karte, Artbeschreibungen und entsprechenden Hinweisen für das Gelände. Das Infomaterial ist ebenfalls in der Naturschutzstation erhältlich.


Weitere Beobachtungs- und Freizeitmöglichkeiten

In Dümmerlohhausen westlich des Dümmers gibt es die Dümmer-Vogelschau, eine private Ausstellung von präparierten Vögeln (Dümmerstraße 7, 49401 Dümmerlohhausen, Tel.: 05491/7848, E-Mail: info@duemmer-vogelschau.de).

An der Ostseite des Sees liegt das Dümmer-Museum mit zahlreichen weiteren Informationen zum Dümmergebiet (Götkers Hof 1, 49459 Lembruch, Tel.: 05447/341, E-Mail: duemmermuseum@t-online.de). Bademöglichkeiten, Unterkünfte und mehrere ufernahe Campingplätze gibt es in Hüde und in Lembruch. Dort kann man sich auch Tretboote und Fahrräder ausleihen.

Die Diepholzer Moorniederung (FALKE 2007, H. 3) liegt nur etwa eine halbe Autostunde entfernt in östlicher Richtung.


*


Infomaterial/Literatur:

Belting, H., F. Körner, U. Marxmeier & C. Möller (1997): Wiesenvogel-schutz am Dümmer und die Entwicklung der Brutbestände sowie der Bruterfolge von wiesenbrütenden Limikolen. Vogelkundliche Berichte aus Niedersachsen 29 (1): 37-48.

Körner, F. & U. Marxmeier (2005): Die Trauerseeschwalbe Chlidonias n. niger am Dümmer - Ergebnisse des Artenhilfsprogrammes von 1992-2004. Vogelwelt 126 (3): 227-134.

Ludwig, J., H. Belting, A. J. Helbig & H. Bruns (1990): Die Vögel des Dümmer-Gebietes. Naturschutz und Landschaftspflege in Niedersachsen 21, Hannover.

Moning, C. & F. Weiß (2007): Vögel beobachten in Norddeutschland. Kosmos Verlag, Stuttgart.

Naturschutzring Dümmer (o. J.): Moor und Meer - Erlebnisrouten. Faltblattserie, herausgegeben vom Naturpark Dümmer e. V. Hervorragende Faltblattsammlung zu 10 Erlebnisrouten am Dümmer und in dessen Umgebung. Bezug: Naturschutzring Dümmer (Anschrift s. o.)

Richter, M., U. Marxmeier & F. Körner (2002): Optimismus im EU-Vogelschutzgebiet Dümmer: Statt Schlamm wieder klares Wasser? Falke 49: 202-207.


Internet:
www.naturschutzring-duemmer.de
www.life-duemmer.niedersachsen.de
www.duemmer.de
www.dammer-berge.de


Anfahrt:

Mit Bahn und Bus:
Einen Bahnhof gibt es in Lemförde, etwa 3 km südöstlich vom See entfernt.

Mit dem Auto:
Der Dümmer liegt etwa 40 km nordöstlich von Osnabrück und ist von dort oder von Diepholz aus über die B 51 erreichbar. Eine andere Möglichkeit ergibt sich über die A1, Abfahrt Neuenkirchen - Vörden und von dort über Damme nach Lembruch.

Mit dem Fahrrad:
Das Gebiet kann man hervorragend mit dem Fahrrad erschließen. Der Deich um den See ist bis auf ein Teilstück im Süden komplett befahrbar. Im Süden führt der Weg für Radfahrer von der Hunte entlang des Randkanals durch das nördliche Ochsenmoor zum Südturm. Vom Dümmerrundweg führen Stichwege zu den wichtigsten Beobachtungspunkten. Glücklicherweise ist der Deichweg nicht komplett befestigt, sodass er zumindest im Süden des Sees noch keine Sport- und Rennpiste ist. Ein guter Startplatz ist der Parkplatz am Südufer in der Nähe des Südturms oder am besten die Naturschutzstation etwas weiter südöstlich.


Adressen:

Naturschutzstation Dümmer (mit einer Ausstellung
im Stationsgebäude), Am Ochsenmoor 50, 49448 Hüde,
Tel.: 05443/1393,
E-Mail: naturschutzstation-duemmer@nlwkn-ol.niedersachsen.de

Führungen kann man über den Naturschutzring Dümmer e. V. buchen:
(ebenfalls) Am Ochsenmoor 50, 49448 Hüde, Tel.: 05447/1367,
E-Mail: naturschutzring.duemmer@t-online.de
Internet: www.naturschutzring-duemmer.de


*


Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 7/2008
55. Jahrgang, Juli 2008, S. 245-248
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim
Tel.: 06766/903 141; Fax: 06766/903 320
E-Mail: falke@aula-verlag.de

Erscheinungsweise: monatlich
Einzelhelftpreis: 4,60 Euro
Das Jahresabonnement für 12 Hefte ist im In-
und Ausland für 47,- Euro zzgl. Porto erhältlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juli 2008