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TOURTIP/962: Erlebnis Bergwerk (extratour - DJH)


Deutsches Jugendherbergswerk - extratour Nr. 5, September/Oktober 2010

Erlebnis Bergwerk
Glück auf!

Von Heike Reinhold


Wer sich in das Innere der Erde vorwagt, begibt sich auf eine spannende Zeitreise in die Vergangenheit. In vielen Teilen Deutschlands können Besucher die geheimnisvolle Welt unter Tage erleben. Schauhöhlen geben Einblick in geologische Gesteinsschichten, Besucherbergwerke zeigen, wie Menschen einst in mühevoller Arbeit Stein- und Braunkohle, Silber und Erz, Kupfer und Salz und in einigen Regionen sogar Gold abgebaut haben. Die Extratour stellt eine Auswahl interessanter Schaubergwerke vor.


Mit Overall, Gummistiefeln und Schutzhelm bekleidet stehen wir im engen Förderkorb - ein mulmiges Gefühl im Bauch und neugierig auf das, was uns erwartet. Mit einer Geschwindigkeit von 4,5 Metern pro Sekunde geht es hinab ins Innere des Sauberges südlich von Chemnitz. In 110 Metern Tiefe endet die Seilfahrt abrupt. Ich rechne damit, gleich die Wärme der Erde zu spüren. Stattdessen ist es kalt. Etwa 8 Grad Celsius. Wir verlassen den Förderkorb und stehen im Füllort. Nun heißt es "Geleucht anschalten", um sich in der Finsternis zu orientieren.


Unterwegs mit Schlägel und Eisen

Wir sind unterwegs im Besucherbergwerk Zinngrube (Teil des Sächsischen Industriemuseums Chemnitz) in Ehrenfriedersdorf. Unsere Erlebnis - tour wird von einem ehemaligen Bergmann geleitet, der uns die 750-jährige Geschichte des Zinn- und Silberbergbaus erläutert. Entlang des Besucherwegs geben 24 geologische Stationen Einblick in die Erdgeschichte. Wir sind beeindruckt von dem, was sich in den zurückliegenden 500 Millionen Jahren im Erzgebirge getan hat. Bei der Vorführung eines druckluftbetriebenen Bohrwagens ist der Lärm ohrenbe täubend. "Seit etwa 1975 wurden moderne Bohr- und Ladegeräte im Ehrenfriedersdorfer Bergbau eingesetzt", erklärt uns der Knappe. Zuvor erfolgte der Streckenvortrieb noch mit Handbohrgeräten. Die druckluftbetriebenen Geräte wurden um 1900 eingeführt und sind auch heute noch gebräuchlich. Einige von uns nehmen den Bohrhammer selbst in die Hand, schalten ein und lassen sich kräftig durchschütteln. Wir bekommen einen kleinen Eindruck von der körperlich schweren Arbeit eines Bergmanns. Noch weiter zurück in die Geschichte gehen wir im Aufschluss Silbererzgang. In früheren Jahrhunderten arbeiteten die Bergleute mit Schlägel und Eisen. Und auch wir versuchen uns im Umgang mit diesen Werkzeugen. Schnell wird klar, warum auf diese Weise nur wenige Zentimeter Streckenvortrieb in einer Woche erreicht wurden.


Bergbaugeschichte entlang der Silberstraße

So wie viele Schaubergwerke des Erzgebirges liegt die Zinngrube Ehrenfriedersdorf an der sächsischen Silberstraße. Sie verbindet eine Kette sehenswerter Städte und erinnert an die 800-jährige Bergbaugeschichte der Region. Auf Antrag Sachsens hat die Kultusministerkonferenz der Länder die "Montanregion Erzgebirge" auf die deutsche Auswahlliste zur Nominierung von UNESCO-Welterbestätten gesetzt. Zu Recht: Seit dem ersten Silberfund im Jahre 1168 bei Freiberg hat sich hier eine einzigartige Kulturlandschaft entwickelt. Heute erleben Reisende bei einer Bergwerkstour beeindruckende technische Denkmäler, sie besuchen funktions tüchtige Erzhämmer und erhalten einen Eindruck vom Arbeitsalltag früherer Generationen. In vielen Besucherbergwerken haben Gruppen die Möglichkeit, die Arbeit des Bergmanns aktiv zu erleben, an Mettenschicht und Bergmannsvesper unter Tage teilzunehmen und sich von der Bergparade verzaubern zu lassen. Industriemuseen in unmittelbarer Nähe der Schaubergwerke vertiefen den Erlebniseindruck und bieten Wissenswertes zur Geologie. Im Museum für Naturkunde in Chemnitz beispielsweise ist ein versteinerter Wald mit rund 290 Millionen Jahre alten Stämmen zu sehen. Bei Ausgrabungen in der Region stießen Forscher im September 2009 auf eine Sensation: Ein etwa 30 Zentimeter großer Ur-Saurier konnte freigelegt werden. Das eidechsenähnliche Wesen kam offensichtlich bei einem Vulkanausbruch vor rund 290 Millionen Jahren ums Leben.


Erlebnisreise durch den Geopark

Spannende Einblicke in die Erdgeschichte bietet auch der Geopark GrenzWelten zwischen Nordhessen und Nordrhein-Westfalen. Nicht weit von Kassel entfernt ist er ein beliebtes Ziel für Schulklassen. Themenpfade, Infozentren, Museen und insgesamt acht Besucherbergwerke verknüpfen das Landschaftserlebnis mit einer aktiven Wissensvermittlung. Lohnenswert ist beispielsweise der Besuch im Hessischen Braunkohle-Bergbaumuseum Borken, das über einen eigenen Besucherstollen verfügt. Im angegliederten Themenpark "Kohle & Energie" sind Großgeräte wie Schaufelrad- und Kettenbagger, Bergbaulokomotiven, Kohlebunker, Turbinen und vieles mehr ausgestellt. Für Jungen und Mädchen wurde ein spielerischer Erfahrungsbereich eingerichtet, und mit der Besucherbahn können Reisende den rund 3,5 Hektar großen Park umfahren. Überall wird die Erinnerung an das schwere Grubenunglück in der Grube Stolzenbach bei Borken wach. Bei einer Kohlenstaubexplosion wurden am 1. Juni 1988 insgesamt 51 Bergleute getötet. Sechs Kumpel überlebten in 150 Meter Tiefe in einer Luftblase und konnten 65 Stunden nach dem Unglück durch ein Entlüftungsrohr gerettet werden.


Salz - das weiße Gold

Die Welt des "weißen Goldes" erschließt eine "SalzZeitReise" im Salzbergwerk Berchtesgaden. Lange Zeit war das Betreten der weitläufigen Stollen nur den Berchtesgadener Bergleuten erlaubt. Heute steht ein Teil des seit 500 Jahren tätigen Bergwerks allen Abenteuerlustigen offen, die den Ursprungsort der Bad Reichenhaller Markensalze kennenlernen möch ten. Für Schul klassen hält das Erlebnisbergwerk ein besonderes didaktisches Angebot mit fächerübergreifendem Natur und Technikunterricht bereit. An unterschiedlichen Stationen können die Schüler experimentieren, vergleichen und beobachten. Das Angebot wird in Zusammenarbeit mit der Universität Bayreuth realisiert. Und auch der Spaß kommt nicht zu kurz: Die Bergwerksrutsche begeistert seit Jahrzehnten kleine und große Besucher gleichermaßen. Auch im mittleren Werratal im Thüringer Wald wird heute noch Salz gewonnen. Bei einem Besuch im Erlebnisbergwerk Merkers erfahren Besucher Wissenswertes über Geschichte, Tradition und Entwicklung des Kalibergbaus. Gleichzeitig bietet die K + S Gruppe Interessierten die Möglichkeit, die Arbeit eines modernen Bergbauunternehmens kennenzulernen. Begleitet von erfahrenen Bergleuten, bringt der Förderkorb Besucher in nur 90 Sekunden bis auf die 2. Sohle in 500 Metern Tiefe. Die anschließende Grubenfahrt führt über 25 Kilometer des insgesamt 140 Quadratkilometer großen Grubenfeldes. Einen ersten Stopp legen die Bergleute auf Zeit im Museum unter Tage ein. Zahlreiche Exponate, anschauliche Darstellungen und die Erläuterungen erfahrener Bergmänner lassen die 100-jährige Bergbaugeschichte lebendig werden. Im Großbunker, einem Hohlraum, der vor allem durch seine Abmessungen beeindruckt, befindet sich der größte untertägig eingesetzte Schaufelradbagger der Welt. Bis 1993 diente der Großbunker der Speicherung von bis zu 50.000 Tonnen Rohsalz. Heute gilt er als größter Konzertsaal unter Tage. Eine weitere Station ist der historische Goldraum. Hier wurden zum Ende des Zweiten Weltkriegs die Gold- und Devisenbestände der Deutschen Reichsbank sowie in weiteren Kammern umfangreiche Bestände von Berliner Museen eingelagert. Das Auffinden dieses Schatzes durch die Amerikaner und die Grubenfahrt von General Eisenhower sorgten im April 1945 weltweit für Schlagzeilen. Höhepunkt der Führung ist der Besuch der weltweit einmaligen Kristallgrotte auf 800 Metern Teufe. Die zehn Meter hohe Grotte wurde erst 1980 entdeckt. Wasserklare Steinsalzkristalle funkeln wie ein Schatz aus 1001 Nacht. Eine spezielle Musik-Licht-Inszenierung schafft eine märchenhafte Atmosphäre.


Bergbau-Glossar

Bergparade
Eine Parade, bei der sich Bergknappen und -brüderschaften in traditioneller Bergmannskluft zeigen.

Flöz
Ein Flöz ist eine abbaufähige, meist flach einfallende Erz- oder Kohleschicht zwischen den Gesteinsschichten. Sie wurde vor Hunderten von Millionen Jahren gebildet und erstreckt sich flächenhaft.

Förderkorb
Der Förderkorb sieht aus wie ein Fahrstuhl mit mehreren Etagen. Es werden damit Kohlewagen oder auch bis zu 60 Bergleute befördert.

Füllort
Mit Füllort bezeichnet man einen Grabenbau in unmittelbarer Schachtnähe unter Tage. Hier befindet sich der "Verladebahnhof" für die Bodenschätze am Schacht.

Geleucht
Alle Leuchtmittel unter Tage, vor allem die Grubenlampe des Bergmanns.

Glück auf!
Bergmannsgruß.

Knappe
(Nicht mehr zeitgemäßer) Begriff für einen bergmännischen Facharbeiter.

Kumpel
Umgangssprachlicher Begriff für einen Bergmann.

Mettenschicht
Die Mettenschicht ist ein alter Bergmannsbrauch. Es ist eine Bezeichnung für die letzte eingefahrene Schicht vor Weihnachten. Der Steiger beendet diese Schicht vorzeitig mit einem Klopfzeichen, mit dem er die Bergleute "herausklopft".

Schacht
Ein Schacht ist ein senkrecht in die Erde getriebener Stollen. Er erschließt den Bergleuten die in der Tiefe liegenden Bodenschätze.

Schlägel und Eisen
Der Schlägel ist ein Schlaghammer mit viereckigem Querschnitt. Das Bergeisen hingegen ist ein keil- oder meißelartiges Werkzeug. Zusammen bilden die beiden Werkzeuge das Symbol für den Bergbau.

Seilfahrt
Die Seilfahrt ist die Personenbeförderung in das oder aus dem Bergwerk.

Steiger
Der Steiger ist eine Aufsichtsperson im Bergbau mit besonderer Ausbildung.

Stollen
Ein Stollen ist ein waagerechter oder leicht geneigter Gang, der in einen Berg hineingetrieben wurde.

Teufe
Bergmännischer Ausdruck für Tiefe.


Besucherbergwerke, Museen & geologische Parks

www.zinngrube.de - www.braunkohle-bergbaumuseum.de
www.geopark-waldeck-frankenberg.de - www.salzzeitreise.de
www.erlebnisbergwerk.de - www.naturkunde-chemnitz.de


Weitere Infos

Jugendherbergen entlang der sächsischen Silberstraße finden Sie unter www.djh-sachsen.de

Weitere Jugendherbergen in der Nähe der Ausflugsziele:
JH Willingen, Tel. 05632 6347, willingen@djh-hessen.de
JH Korbach, Tel. 05631 8360, korbach@djh-hessen.de
JH Waldeck am Edersee, Tel. 05623 5313, waldeck@djh-hessen.de
JH Hohe Fahrt am Edersee, Tel. 05635 251, hohefahrt@djh-hessen.de
JH Bad Salzungen, Tel. 03695 622208, jh-bad-salzungen@djh-thueringen.de
JH Berchtesgaden, Tel. 08652 9437-0, jhberchtesgaden@djh-bayern.de


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Quelle:
extratour Nr. 5, September/Oktober 2010, S. 16-18
Die Zeitschrift für Mitglieder im Deutschen Jugendherbergswerk
Herausgeber: Deutsches Jugendherbergswerk DJH
Hauptverband für Jugendwandern und Jugendherbergen e.V.
Leonardo-da-Vinci-Weg 1, 32760 Detmold
Tel.: 05231/99 36-0, Fax: 05231/99 36-66
Internet: www.jugendherberge.de

Erscheinungsweise: zweimonatlich
Der Bezugspreis der Zeitung ist im
DJH-Mitgliedsbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. September 2010