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TOURTIP/1001: Berlin, Stadt der Seen (2) - Zur Grunewaldseenkette (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 169 - August/September 2012
Die Berliner Umweltzeitung

UNTERWEGS IN BERLIN
Berlin - Stadt der Seen (2)
Zur Grunewaldseenkette

von Christoph Vinz



Im Berliner Raum finden sich bis heute Relikte der letzten Eiszeit. Ehemalige Schmelzwasserrinnen, sogenannte "Glaziale Rinnen", hinterließen große und kleine Seen und im Ergebnis von zunehmender Verlandung morastige Feuchtgebiete. Bekannt ist die landschaftlich reizvolle Grunewaldseenkette, die in östlicher Randlage zum Grunewald verläuft und heute näher betrachtet werden soll. Der angrenzende Wald gehört zum NATURA 2000-Gebiet und ist sowohl als Fauna-Flora-Habitat-Gebiet (FFH) als auch als Vogelschutzgebiet ausgewiesen.

Am südlichen Ende, kurz vor dem Großen Wannsee, liegt der Nikolassee (5,6 Hektar) mit der Rehwiese, einem 25,6 Hektar großen, verlandeten Areal, das mit seiner sumpfigen Umgebung und Resten von Auwald als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen ist.

Dieser Grundwassersee erhält heute aufgrund zu geringen Wassers eine entsprechende Zuführung über ein Pumpsystem aus dem nahen Wannsee. Eine ichthyologische Besonderheit soll der nur hier vorkommende Bitterling aus der Familie der Karpfen sein.

Der etwas ungewöhnliche Name des Sees geht auf einen Verkauf an das Kloster Lehnin im Jahr 1242 zurück. Die frommen Brüder benannten in der Folge das Gewässer nach dem Heiligen Nikolaus.

Ein Rad- und Wanderweg verbindet See und Rehwiese, wobei die Avus (Stadtautobahn) unterquert wird. Der nach dem See benannte Ortsteil entwickelte sich ab 1901 zur Villenkolonie für die Berliner Oberschicht. Die ersten repräsentativen Bauten gewährten einen exklusiven Blick auf den See. Zu den bemerkenswerten Villen ihrer Zeit zählen die sogenannte "Rosenburg" (1901/02), Landhaus Bousset (1909) oder das Haus Lange, der sogenannte "Libellenhof" (1927/28 errichtet für den Generaldirektor von "Kathreiner's Malzkaffee").

Als Nächstes führt uns die Tour an den langgestreckten Schlachtensee, der eine beeindruckende Wasserfläche von 421.000 Quadratkilometern und eine maximale Tiefe von fast neun Metern besitzt. Auf einem durchgehenden Uferweg von rund sechs Kilometern Länge kann man diesen auch zum Baden einladenden See mit seiner hohen Wasserqualität bequem umrunden. Neben einem Bootsverleih locken in der warmen Jahreszeit der Biergarten des bekannten Traditionslokals "Alte Fischerhütte" und ein kleiner Park zahlreiche Ausflügler. Während die Fischerhütte als letztes von einst drei Ausflugslokalen am Schlachtensee existiert, ist der auf einer Halbinsel liegende Park mit Wald und Liegewiese, benannt nach dem Schriftsteller Paul Ernst (1866-1933), im Sommer auch Ziel vieler erholungssuchender Berliner.

Das umgebende Stadtviertel erhielt seinen Namen wie beim Nikolassee ebenfalls nach dem Gewässer. Bekannt wurde dieses "Idyll am Rande der Stadt" für Kunstfreunde durch den Berliner Maler Paul Leistikow, der 1895 hier eine bezaubernde Abendstimmung festhielt, die Besucher der Alten Nationalgalerie noch immer fasziniert.

Nur wenige Gehminuten entfernt grüßt schon der nächste See, die "Krumme Lanke". Dieser beliebte Badetreff nimmt immerhin eine Wasserfläche von 154.000 Quadratkilometern ein, hat eine Länge von mehr als einem Kilometer und verfügt über einen fast drei Kilometer langen Uferweg. In diesem Gewässer, wie auch im benachbarten Schlachtensee, sind immerhin achtzehn Fischarten nachgewiesen. Seit den 1920er-Jahren wurde der See vor allem im Berliner Raum bekannt durch das "Lied von der Krummen Lanke". Es ironisiert die Naturliebe des Berliners, gepaart mit Sinn für Handfestes:

... Und denn saß ick mit deah
Emman uff ne Banke
Üba uns, da sang so schmelzend
een Pirol
Unta uns, da floß so still de
Krumme Lanke
Vis-a'-vis aß Eena Wurscht
mit Sauakohl...

Durch Fenn und Luch zum Schloss am See

Auf dem Weg zum Grunewaldsee passieren wir das Riemeisterfenn (ein fast verschwundener See und Naturschutzgebiet) und queren die Onkel-Tom-Straße. Das Fenn bildete sich seit Beginn des vorigen Jahrhunderts aus dem langsam verlandenden Riemeistersee. Heute gilt das Gebiet als eins der letzten Berliner Moore mit Relikten ursprünglicher Vegetation. Auf dem Areal von mehr als sieben Hektar finden sich noch Sumpfknabenkraut, Schwanenblume, Labkraut oder auch Sumpf-Calla. Dazu existieren Reste von Erlenbruchwäldern. Im Restwasser des einstigen Sees leben Moderlieschen und Karauschen. Hier kann noch manchmal der Eisvogel auf Jagd beobachtet werden.

Weiter führt der Weg durch das Lange Luch, ein fünfzehn Hektar großes Naturschutzgebiet mit Resten von Auwald und morastigen Feuchtgebieten, das teils durch Grundwasserabsenkungen entstand. Im Luch existieren allein 79 Arten von Wasserkäfern.

Nun geht es über die Hüttenstraße hin zum nächsten Gewässer dieser glazialen Seenkette. Auf einer Fläche von fast achtzehn Hektar erstreckt sich der Grunewaldsee, bekannt durch die beliebte FKK-Stelle am Bullenwinkel und sein stets quirliges Hundeauslaufgebiet. Da Mensch und Tier in trauter Gemeinschaft ins Wasser gehen, ist Baden hier reine Geschmackssache, obwohl das Wasser noch eine gute Qualität hat.

Am Ufer erhebt sich Berlins ältester Feudalsitz, das Jagdschloss Grunewald (1542). Der elegante Renaissancebau konnte erst kürzlich umfangreich restauriert werden. Nebenan lädt das noble Forsthaus Paulsborn, ein Neorenaissance-Bau aus wilhelminischer Zeit, zu angenehmer Rast ein.

Zur Anfahrt empfehlen sich entweder die S1 bis Bahnhof Schlachtensee, die S7 bis Bahnhof Nikolassee oder die U3 bis Endstation Krumme Lanke.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
- Eiszeitliche Schönheit
- Jagdschloss ohne Halali
- Rehwiese ohne Reh

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Quelle:
DER RABE RALF - 22. Jahrgang, Nr. 169 - August/September 2012, S. 12
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: jährlich, 20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. September 2012