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GLOSSE/004: Sensation - Kirchenasyl für Snowden im friesländischen Knöppeldrösen (Werner Geismar)


Neues aus dem Schnüffel-Imperium

Sensation: Kirchenasyl für Snowden im friesländischen Knöppeldrösen
Eine Reportage unseres Chef-Reporters Hinrich Kniesewitt

von Werner Geismar, Juli 2013



Pfarrer Blökenkamp: "Die ständigen Drohnenangriffe nerven echt! Aber davon lassen wir uns nicht unterkriegen."

Die Augen, die Parabolantennen und die Abhöranlagen der ganzen Welt sind auf die kleine 800-Seelen-Gemeinde Knöppeldrösen in Ostfriesland gerichtet. Denn hier hat der meist gejagte Mann der Welt, Edward Snowden, in der evangelischen Kirche oder in dem, was Bomben und Raketen von ihr übriggelassen haben, Kirchenasyl und Unterschlupf gefunden.

Pfarrer Blökenkamp verrät uns: "Vorgestern Nacht um 1:30 Uhr hat ihn der Putin persönlich bei uns durch die Babyklappe geschoben! Wenn wir ihn nicht nehmen, schickt er uns die Pussy Riots vorbei, die dann irgendwelche Sauereien bei uns am Altar veranstalten, hat er gedroht. Wie sollte ich den Snowden da wieder wegschicken? Ich hab mit dem Putin dann noch eine halbe Flasche Vodka getrunken, dann tauchte Chuck Norris auf. Der kann nämlich Fallschirmspringen nach oben, hat den Putin untergehakt und ab ging's zu Putins privatem Tarnkappenjet, mit dem er zurück in den Kreml ist. Moment, ich muss gerade mal mit Oma Hinrichsen ein letztes Gebet sprechen, bevor sie abkratzt", unterbricht Pfarrer Blökenkamp unser Interview.

Zwei Leute vom roten Kreuz tragen Oma Hinrichsen auf einer Bahre in die Katakomben unter den Ruinen der Dorfkirche. Pfarrer Blökenkamp zeigt anklagend auf die verwüstete alte Dame. "Schauen Sie nur, voller Uranmunition. Das waren die Heckenschützen! Sie müssen wissen, Knöppeldrösen ist berühmt für seine vielen Hecken, die unser Dorf vor dem Wind schützen. Aber jetzt sind sie bevölkert von Tausenden von Heckenschützen, die auf alles ballern, was sich bewegt!"

Er beugt sich zu der alten Dame, die vor lauter Uranmunition schon mächtig leuchtet. "Was willste hören, Oma Hinrichsen?", schreit der Pfarrer in ihr mächtig blutendes Ohr. Dann liest er ihr den Wunsch von den mächtig blutenden Lippen und betet laut: "Komm Herr Jesus, sei unser Gast und segne alles, was du uns bescheret hast, Amen!" Dann winkt der den Jungs vom roten Kreuz, die Oma Hinrichsen wegschaffen.

"Eigentlich ein schöner Tod, so voller Uranmunition", sinniert Pfarrer Blökenkamp. Dann reißt er sich zusammen. "Der Snowden war ganz schön durch den Wind, muss ich sagen. Kein Wunder, nach soviel Tagen Vodka saufen mit den Russen im Transitteil des Flughafens. Meine Meinung: Entweder man ist dafür gebaut, oder man ist es nicht! Jedenfalls glaube ich, dass es am Vodka lag, dass er ständig gezittert hat und immer nur die eine Frage rausbekam: Bin ich hier auch wirklich sicher? Ich konnte ihn gerade etwas beruhigen, als die erste Drohne zur Kirchentür herein geschnurrt kam und den schön geschnitzten Altar aus dem 18. Jahrhundert in Schutt und Asche gelegt hat. Ich bin dann mit dem Snowden in die Katakomben unter der Kirche. Dort verstecken wir uns wie die Ratten, während die Drohnen unser schönes Dorf dem Erdboden gleichmachen."

"Ist das denn erlaubt, so viele Drohnenangriffe mit so vielen Toten?", stelle ich die Frage.

"Offensichtlich geht das in Ordnung", meint Pfarrer Blökenkamp und zieht den Kopf ein, weil die Erde bebt und mächtige Staubgeschwader von der niedrigen Gewölbedecke prasseln. "Jedenfalls meinte unser Außenminister, dass diese Maßnahmen im Rahmen von Endurance Freedom blieben."

"Hat sich denn sonst niemand von der Politik eingeschaltet?", frage ich.

"Doch, der de Maiziére. Der hat mich gebeten, meine Erfahrungen mit den Drohnen niederzuschreiben und ihm meinen Bericht zu mailen. Ach ja, und dann war da noch der Pofalla, ein ziemlicher Choleriker. Der hat mich angebrüllt, ich sei ein Arschloch und er werde mich fertigmachen, wenn ich den Snowden nicht sofort rausrücke."

In diesem Augenblick bimmelt Pfarrer Blökemkamps Handy. Es ist unser Bundespräsident. "Mein lieber Amtsbruder, ich will nochmal betonen, dass es mir in meinem ganzen Leben stets um die Freiheit ging, wobei ich aber klarstellen möchte: um meine Freiheit, und nicht um Ihre Freiheit oder die eines gottlosen Festplattenanbeters! Und jetzt gebe ich weiter an die Bundeskanzlerin." Pfarrer Blökenkamp und ich werfen uns einen Blick zu. Wir sind uns bewußt, dass wir Zeugen eines welthistorischen Moments sind. "Mein lieber Herr Pfarrer", sagt die Bundeskanzlerin ziemlich schnippisch, "ich habe das schon mehrfach zu den Mitgliedern meines Kabinetts gesagt, dass sich Halsstarrigkeit nicht auszahlt. Jetzt haben wir den Salat. Der amerikanische Präsident hat mich soeben informiert, dass die Amerikaner in zwei Minuten aus Versehen eine Atombombe auf Ihre Kirche werfen werden, und war so freundlich, sich für dieses Versehen schon im Voraus zu entschuldigen. Da bleibt mir nur noch übrig, Ihnen einen schönen Abend zu wünschen."


Die Meinungsfreiheit schließt das unbequeme Recht auf Kritik, Witz, Satire, das Spiel mit Symbolen und Respektlosigkeit gegenüber Autoritäten ein.

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Quelle:
© 2013 by Werner Geismar, Remagen
mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juli 2013