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SCHLUCKAUF/0058: Hundchen für alles - Nachtisch & Satire (SB)


Hundchen für alles


Die westlichen Industriestaaten kommen immer mehr auf den Hund. Und zwar als Alternative zu der grauenerregenden Vorstellung, etwas Grundlegendes an der jetzigen Lebensweise ändern zu müssen. Wo die Folgen industrieangepaßter Lebensart allzu unliebsam zutage treten, müssen die Ursachen keineswegs beseitigt werden, nein - denn es gibt schließlich noch ein As im Ärmel des Menschen: seinen treuesten Freund, den Hund.

Nicht nur, daß pelzige Vierbeiner in Seniorenheimen herumgeführt werden, um die vereinsamungsbedingten Krankheitssymptome der Bewohner zu lindern. Sie helfen als Therapiehunde inzwischen auch dabei, eine stetig wachsende Zahl depressiver Menschen wenigstens halbwegs alltagstauglich zu halten. Und - wau! - in den USA werden Hundewelpen neuerdings zur Resozialisierung von Schwerkriminellen eingesetzt. Die Strafgefangenen haben die Aufgabe, die Jungtiere zu brauchbaren "Veteranenhunden" erziehen. Diese "Veteranenhunde" wiederum sollen Heimkehrern aus Afghanistan oder dem Irak helfen, die psychischen Folgeschäden ihrer Kriegserlebnisse zu ertragen.

In Deutschland ist das neueste Einsatzgebiet hundlicher Menschlichkeitssubstitute die Kita. Weil etwa ein Viertel aller Kinder unter drei Jahren in einer Kita untergebracht sind, können die wenigen Erzieher dem enormen Bedürfnis der Kleinen nach körperlicher Nähe und direktem Kontakt nicht annähernd gerecht werden. Verhaltensstörungen, Autoimmunerkrankungen und zahlreiche andere psychosomatische Symptome sind die Folge. Daher soll in modernen Kitas künftig für jeweils zwei Kleinkinder ein speziell ausgebildeter Kita-Hund zur Verfügung gestellt werden, der den Mangel an körperlicher Nähe zu kompensieren hilft. Der Hund ist darauf abgerichtet, möglichst häufig Körperkontakt herzustellen und diesen ausdauernd zu halten.

Studien mit Kleinkindern und Kita-Hunden geben zu verhaltenem Optimismus Anlaß. Viele der sogenannten Kontaktmangelsymptome treten signifikant seltener auf, wenn in der Kita Hunde "tätig" sind. Allerdings zeigen einige der von Hunden mitbetreuten Kinder leichte Sprachentwicklungsstörungen. Beispielsweise sollen die Betreffenden bei Frustration vorzugsweise Knurr- oder Kläfflaute ausstoßen, statt sich prononciert zu artikulieren.

7. Juli 2010