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STANDPUNKT/019: Wenn man doch nur die Zukunft vorhersagen könnte (Pressenza)


Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin

Wenn man doch nur die Zukunft vorhersagen könnte

Von David Andersson, 25. November 2016



Foto: By Dean Franklin derivative work: Cowtowner (talk) derivative work: Cowtowner [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons

Die vier Präsidenten (von links nach rechts): George Washington, Thomas Jefferson, ì Theodore Roosevelt und Abraham Lincoln.
  Foto: By Dean Franklin derivative work: Cowtowner (talk) derivative work: Cowtowner
[CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons

Die Medien reagierten "überrascht" auf die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten. Jeder versucht jetzt zu verstehen. Was war mit den weiblichen Wählern los? Mit den lateinamerikanischen Wählern? Warum sind so viele Menschen nicht zur Wahl gegangen, wie seit 20 Jahren nicht? Natürlich gibt es von den Spezialisten und den einflussreichen Persönlichkeiten mehr Antworten als Fragen. Jeder Bundesstaat und jeder Distrikt wird jetzt nach und nach untersucht, um herauszufinden was schief gelaufen ist und warum die Ergebnisse nicht den Umfragen entsprechen. Als sei Demokratie eine Rechenaufgabe, die man korrigieren muss, damit man das Ergebnis kriegt, das man haben will!

Viele Menschen können das Gesamtbild nicht sehen. Hier geht es um ein weltweites Phänomen, das man nur verstehen kann, wenn man es global anschaut und die allgemeinen Tendenzen sieht. Erinnern wir uns denn nicht, dass wir genau diese Diskussion vor ein paar Monaten beim Thema Brexit hatten und dann beim Friedensreferendum in Kolumbien, bei dem das NEIN knapp gewonnen hat, es aber eine Stimmenthaltung von 63% gab. Das sind keine isolierten Ereignisse. Man kann hier eine sehr klare Richtung erkennen, bei der die Rechte ein bereits gefallenes neoliberales System ersetzt. Das Referendum in Ungarn, die Wahlen auf den Philippinen und in Argentinien und die Situation in Brasilien, haben diese Richtung sehr dramatisch aufgezeigt. In China ist die Situation auch nicht besser, dort werden die Menschen in eine Konsumgesellschaft gepresst und ihre alten sozialen Strukturen verwandeln sich in westliche Modelle. Dort werden die gleichen hoffnungslosen und sinnlosen Bedingungen geschaffen, die uns im Westen so vertraut sind.

Wir befinden uns in einer entscheidenden Krise, die man in einem Satz beschreiben kann: entweder gehen wir weiter in diese Richtung voller Gewalt und Diskriminierung, was schreckliche Folgen für Milliarden von Menschen und die Umwelt haben wird, oder wir ergreifen diese Möglichkeit, um mit Absicht die erste menschliche Zivilisation aufzubauen. Wir leben jetzt in einer Welt, die vollkommen miteinander verbunden ist und es gibt keinen Ort an den man flüchten könnte, es gibt kein Land, keine Kultur, keine Religion, die von außen kommen kann, um die inneren Angelegenheiten unserer Gesellschaft zu lösen.

Wir werden diese Richtung nicht mit ein paar guten Ideen oder technologischen Entwicklungen ändern, noch können wir die Probleme lösen, indem wir einfach dieses System sterben lassen und uns einfach nur auf uns selbst konzentrieren und von der Gesellschaft distanzieren. Man kann auch nicht mehr weiter auf alles was nicht funktioniert eine humanitäre Antwort geben, die sich nicht um die Wurzel der Probleme kümmert. Viele Menschen in den USA hatten das Bedürfnis nach der Wahl von Trump auf die Straße zu gehen und gegen seine aufhetzenden Aussagen über Frauen, Latinos, Muslime und Homosexuelle zu protestieren. Aber das wird nicht reichen.

Unsere Werte müssen sich ändern und nicht mehr nur auf Eigeninteresse, sondern darauf basieren, was menschlich ist. Was tue ich in meinem täglichen Leben, das mit diesem Mensch sein in Verbindung steht? Tiere kommunizieren auch, sie arbeiten, haben Familien, leben in Gesellschaften, haben Wohnstätten, spielen und so weiter. Natürlich hat jede Spezies eine andere Entwicklungsebene, aber niemand kann diese Aktivitäten abstreiten, das heißt keine davon ist speziell menschlich.

Was unterscheidet mich von andern Lebensformen? Was an meinem Leben ist spezifisch menschlich? Das ist eine Frage, die ich mir selbst stellen und auch mit anderen diskutieren muss. Denn nur so können wir die Bedingungen für eine erste wirkliche menschliche Gesellschaft schaffen. Diese Aufgabe müssen wir jetzt angehen und das unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, sexueller Orientierung, Nationalität, Klasse, usw. denn diese sind größten Teils nicht selbst gewählt. Viele Menschen haben viele unglaubliche Dinge im Laufe der Geschichte beigetragen, die man studieren und auf die gegenwärtige Situation anpassen kann. Wir müssen nicht von vorne anfangen. Wir haben die Höhlen verlassen und haben uns sehr weit weiterentwickelt, wir befinden uns aber nicht am Ende der menschlichen Geschichte.

Niemand wird alleine aus diesem Schlamassel rauskommen. Wir müssen verstehen, dass "ein Fortschritt für wenige, zu einem Fortschritt für niemanden wird" (Silo, 2004). Wenn diese Wahlen in den USA für die "guten und fortschrittlichen" Leute kein Zeichen sind, um zu erkennen, dass es notwendig ist eine Gesellschaft auf der Grundlage ganz anderer Werte und dem Ziel einer Universellen Menschlichen Nation aufzubauen, dann hat vielleicht Donald Trump nicht nur die Wahlen, sondern auch unseren Verstand und unsere Herzen gewonnen.


Übersetzung aus dem Englischen: Marita Simon


Der Text steht unter der Lizenz Creative Commons 4.0
http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

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Quelle:
Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin
Johanna Heuveling
E-Mail: johanna.heuveling@pressenza.com
Internet: www.pressenza.com/de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. November 2016

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