Schattenblick →INFOPOOL →WELTANSCHAUUNG → VEGETARIER

VEGETARIERBUND/328: Veganes Schuhwerk vom Feinsten (natürlich vegetarisch)


natürlich vegetarisch, Juli/August/September 2006
Das Magazin vom Vegetarier-Bund Deutschlands e.V.

Die Schuhdesignerin Inga Thomas kreiert veganes Schuhwerk vom Feinsten:
Dem Himmel ein Stück näher

Ein Beitrag von Guido Barth


Die Schuhdesignerin Inga Thomas hat Erfolg in einem klassischen Handwerk. Wer zu ihr in den Werkstatt-Laden geht, begegnet einer außergewöhnlichen Frau und selten schönen Schuhen. Guido Barth war bei ihr.


*


Inga Thomas "baut" Schuhe. Liebevoll designte und von eigener Hand gefertigte Kunstwerke. Ich sitze mit ihr und einer Freundin in ihrem hellen Laden im Hamburger Karolinenviertel. Inga Thomas trägt ihr dunkelblondes langes Haar offen. Ihr schwarzes Shirt betont ihre gute Figur und wirkt zusammen mit der eleganten schwarzen Hose sehr chic. Sie trinkt Café. Die Füße sind geschmückt mit silbernen Pumps mit Steg und Schnalle über dem Spann. Ein spektakuläres Modell. Inga Thomas lebt vegan - jedenfalls fast ("Wenn ich eingeladen werde, ist es okay, wenn es vegetarisch ist, sonst gibt es da manchmal wirklich Probleme") - und sie baut vegane Schuhe. Aber die Schuhe seien tatsächlich absolut vegan, bekräftigt sie.


Den Gründerpreis gewonnen

Die Hamburger Marktstraße mausert sich zusehends zu einer Modestraße. Inga Thomas ist vor einem Jahr hierher in ihren Laden gezogen - in guter Nachbarschaft zu anderen Jung-DesignerInnen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten laufe es jetzt sehr gut, sagt sie begeistert. Die Hamburger Wirtschaftsjunioren haben sie denn auch zur Gewinnerin des Gründerpreises 2005 gekürt. "Das hat mich riesig überrascht, zumal ich erst glaubte, dass ich vom Timing her falsch läge und 'nach' der Gründung gar nicht mehr teilnehmen könnte." Ausschlaggebend für den Erfolg waren ihre Persönlichkeit, die Lage ihres Geschäftes und das Alleinstellungsmerkmal: vegane Design-Schuhe.


Hautfreundlich & atmungsaktiv

"Ich kaufe das Material auf der Messe in Bologna. Die Oberflächenbeschichtung des Lederimitats ist auf Polyurethan-Basis hergestellt, ein Material, das in der Produktion sehr umweltfreundlich ist. Das Trägermaterial ist textil und die Schuh-Kappen sind absolut in Bioqualität." Inga Thomas reicht mir einige Muster. Die Oberflächen fühlen sich ganz glatt an und sind viel weicher als Leder. Auf der Rückseite lese ich den Endlos-Aufdruck: antibakteriell und atmungsaktiv. Die Designerin meint, dass ihr der Begriff Lederimitat nicht gefalle, was ihre Freundin bestätigt: "Ja, wir suchen noch einen passenden Begriff." Einen wichtigen Aspekt hebt Inga Thomas noch hervor: "Das Material sei besonders auch für Allergiker geeignet, denn Leder rufe bei vielen Menschen Hautirritationen hervor - oder Schlimmeres."


Farben für die Sinne

Die kühlroten Farben seien ihre Lieblingsfarben. Während sie das sagt, streift ihr Blick langsam durch den Laden. "Im Augenblick biete ich dreizehn Modelle an". Dabei sind Töne von orange, grün, violett oder aubergine, sogar silber und gold und immer wieder rot. Nicht alle Farben sind schlicht. Bei zwei sehr ansprechenden Modellen changiert helleres Rot zu dunklerem. Die Modelle zeichnen sich alle durch eine klare Linie aus - sie wirken extravagant, fein und feminin.


Strapazierfähige Oberfläche

Das Hightech-Material sei pflegeleicht und lasse sich auch bei extremer Verschmutzung wieder reinigen. Die Künstlerin hält mir ein paar Proben hin, wo sie das Material mit verschiedenen, wasserfesten Stiften und Ölen traktiert hat. Die meisten Spuren ließen sich ganz leicht wieder entfernen, nur bei einem ganz hartnäckigen Farbstift blieben ein paar Rubbelspuren. Ein ganz entscheidender Vorteil sei auch, dass das Material zum Leisten hin wirke und formstabiler sei als Leder. Außerdem habe Leder die unangenehme Eigenschaft, dass es die Hände beim Bauen schwarz färbe und die Haut sehr empfindlich auf die Gerbstoffe reagiere.


Erhaben zum Horizont

Als ich etwas skeptisch eines der Modelle in die Hand nehme, drehe und betrachte, betont die Künstlerin, ihre Schuhe seien voll alltagstauglich. Was machte überhaupt den Reiz hoher Schuhe aus, möchte ich wissen. Die Antwort kommt prompt: Ihr persönlich gefalle es sehr, wenn der Fuß gestreckt werde", die Spannung in den Füßen überträgt sich auf den ganzen Körper und gibt einem eine betont aufrechte Haltung", die, wie sie zugibt, auch etwas Erhabenes habe.


Gut Ding braucht Weile

Knallrote Stiefel stehen auf dem Boden. Sie haben etwas Edles und wirken auf mich fast unnahbar, als müsse man auserwählt sein, um sie tragen zu dürfen. Ich wiege ein anderes Modell in der Hand. Es ist ganz leicht und zierlich. "Meine Schuhe sind extrem formtreu", weswegen Inga Thomas auch Wert darauf legt, dass ihre Kundinnen in den Laden kommen und die Modelle anprobieren. "Ich habe alle Leisten hier im Laden, der Schuh sitzt dann später perfekt am Fuß." Bis die Schuhe abgeholt werden können, dauere es ab Bestellung circa drei Wochen, je nachdem, ob der Leisten gerade frei sei. Sie meint, die Schuhe müssten zwischen den einzelnen Fertigungsschritten immer mal wieder ruhen, was ihr erlaube, an mehreren Modellen parallel zu arbeiten.


"Kreativ" kommt nicht von "kopieren"

"Die Preise beginnen bei 260,- Euro." Das ist günstig, macht die Künstlerin doch alles selber: Ideen, Entwürfe, Schnitte und Bau. Und sie kümmert sich natürlich selbst persönlich um alle ihre Kundinnen. In der Werkstatt, die offen an den Laden angrenzt, zeigt und erklärt sie mir die verschiedenen Arbeitsschritte und stellt sich an den Schnitttisch. "Mein Lieblingsplatz", strahlt sie. An der Presse mit analogen Druckanzeigen wird das Material in Form gebracht, und für die Nähte gibt es eine tiefrot glänzende Doppelnahtmaschine, die der Werkstatt einen nostalgischen, aber trotzdem irgendwie zeitlosen Charme verleiht. Ich frage sie nach ihren Vorbildern. Nein, sagt sie, Vorbilder habe sie keine, das gehe ihr schon zu sehr in die Richtung von Kopieren und das wolle sie überhaupt nicht. "Didaktisch", wie sie sich ausdrückt, gefalle ihr Manolo Blahnik, und sie finde gut, was Jil Sander geschaffen habe.


Tierliebe

Der Impuls zur veganen Lebensweise geht oft vom Tierschutz aus. So war das auch bei Inga Thomas. "Bei mir hat das damit angefangen, dass ich gegen Tierversuche war." Sie sei als Mädchen auch demonstrieren gewesen. Dazu komme sie heute schon aus Zeitgründen nicht mehr, ein bisschen auch wegen ihrer zwei Hunde. Natürlich sei das immer noch ein wichtiges Thema bei ihr, und daher rühre auch die Idee mit den veganen Schuhen. Irgendwann hatte sie sich entschieden und wollte beweisen: "Es geht auch vegan, und das auf höchstem Niveau."


Trauen Sie sich

Es kämen auch Abiturientinnen, die fragen würden, ob sie in Raten zahlen könnten, erklärt Inga Thomas und nickt dabei zu ihrer Freundin, "das mach ich dann schon." Ihre Kundinnen kämen aber aus allen Altersgruppen und Sozialschichten. Wer die Schuhe tragen möchte, der braucht schon etwas Mut - die kräftigen Farben und das exquisite Design ziehen die Blicke magisch an. Ihre Kundinnen kommen als Laufkundschaft oder zu vereinbarten Terminen. Frauen lieben Schuhe, und so wundert es nicht, dass es bei diesem Thema schnell zu einer persönlichen Beziehung mit der Künstlerin kommt. "Die meisten meiner Kundinnen stehen in meinem Auftragsbuch mit ihren Vornamen", freut sie sich.


Mailand-London-Hamburg

Schon als Kind habe sie alle möglichen Sachen verändert und selber gemacht, z.B. die Klamotten für ihre Barbie-Puppen. Dennoch hat sie zuerst ein Studium für Ägyptologie und Geschichte begonnen und ist erst später zum Schuh-Design gewechselt. "Hätte ich schon vorher auf mein Herz gehört, hätte ich gleich damit angefangen." Zuerst bot sich da aber keine Möglichkeit, bis sie durch Zufall jemanden kennen lernte der ihr das Handwerkliche beibrachte. In Mailand besuchte sie danach eine Schule für Schnitttechniken. Da hätten sie wochenlang nichts weiter gemacht als einen Schnitt nach dem anderen, erinnert sie sich. "Ich fand das toll." Zuletzt war sie in London und hat dort Kurse für "Shoe Designing and Industrial Making" besucht. Nun, in Hamburg fühle sie sich sehr wohl und sie wisse auch woran das liege: Sie möge die Menschen hier, die hätten eine sehr freundliche und offene Art.

Auf meine Frage, wann sie das letzte Mal Turnschuhe getragen habe, antwortet sie: "Gestern, aber das ist eher Zufall gewesen." Ich lache und schließe daraus, dass ihre gute Figur nicht vom joggen kommt, und sie erklärt mir, dass sie schon lange Yoga betreibe. Als ich nach unserem Gespräch aus dem Laden gehe, schaue ich noch mal auf ein Modell im Fenster und denke an die glücklichen Frauen, die heute noch ihre neuen Schuhe abholen kommen.


Copyright Guido Barth, 2006


*


Inga Thomas
Marktstraße 113
20357 Hamburg

Öffnungszeiten:
Mo - Fr: 13.00 - 19.00 Uhr
Sa: 13.00 - 17.00 Uhr
Tel. 040 - 88 951 833

(Darüber hinaus können Sie jederzeit einen Termin vereinbaren.) www.ingathomas.de


*


Quelle:
natürlich vegetarisch, Magazin vom Vegetarier-Bund Deutschlands e.V.,
57. Jahrgang - Quartal 3/2006, S. 21
Vegetarier-Bund Deutschlands e.V. (VEBU)
Blumenstraße 3 · 30159 Hannover
Telefon: 0511/363 20 50, Fax: 0511/363 20 07
E-mail: info@vebu.de
Internet: www.vebu.de


veröffentlicht im Schattenblick am 15. Dezember 2006

übernommen in den SB im Internet zum 17. Februar 2007