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VEGETARIERBUND/374: Interview mit dem bayerischen Musiker Hans Söllner (natürlich vegetarisch)


natürlich vegetarisch 03/11 - Sommer 2011
Das VEBU Magazin

INTERVIEW
Guido Barth trifft Hans Söllner

"Ich kann ja auch nicht rausgehen und die Leute zwingen, frei zu sein"


Hans Söllner, ein bayerischer Musiker, gilt als einer, der am konsequentesten sein "Ding" gemacht hat - seit nunmehr fast 40 Jahren. Er ist früh von Bob Marley, Peter Tosh und anderen Reggae-Größen inspiriert worden, wodurch er ein enges Verhältnis zur Reggae-Musik, zur Rastafari-Religion und zu Jamaika entwickelt hat. Söllner gilt als ein begnadeter Liedermacher und Sänger - mit Gitarre und Mundharmonika zählt seine Musik zur "Neuen Volksmusik". Trotz bissiger Texte und seiner brachialen Unangepasstheit hat er 2009 den deutschen Weltmusikpreis "Ruth" erhalten. "Hans Söllner ist ein dichtender und singender Anarch der deutschen Musikszene, der zutiefst im bayerischen Sprach- und Lebensraum beheimatet ist", Christoph Dieckmann, Mitglied der Jury.



GUIDO BARTH: Hans, du lebst vegetarisch. Warum?

HANS SÖLLNER: Das Angebot, das es an pflanzlichen Nahrungsmitteln gibt, ist so vielfältig und ausreichend, dass wir Tiere nicht essen müssen. Wir haben das in der heutigen Zeit einfach nicht mehr nötig.

GUIDO BARTH: Deine Lebensweise ist daher klar ethisch begründet?

HANS SÖLLNER: Ja, ethisch und religiös.

GUIDO BARTH: Hat das etwas mit deiner Nähe zum Reggae und zur Rastafari-Religion zu tun?

HANS SÖLLNER: Ja, viele Rastas leben vegetarisch. Das ist eine Frage des Respekts, des Respekts vor dem Leben.

GUIDO BARTH: Die Rasta-Bewegung ist ja eher klein, wie bist du zur Rastafari-Religion gekommen?

HANS SÖLLNER: Ich habe ja schon früh mit der Reggae-Musik angefangen und da natürlich auch gleich eine gewisse Nähe zu den Rastas gespürt. Ich bin dann oft nach Jamaika gefahren - zum Sehen und Lernen, so wie andere wegen des Buddhismus nach Asien gefahren sind.

GUIDO BARTH: Wie viel Einfluss hat dieser Glaube auf dein Leben genommen?

HANS SÖLLNER: Soweit der Rasta-Glaube für mich in der heutigen westlichen Welt praktikabel ist, orientiere ich mich schon daran. Allerdings gibt es, gerade auch Frauen gegenüber, Regeln, die ich für unzeitgemäß halte. Ein ganz wichtiger Aspekt der Religion ist, dass ich auf mich und meine Gesundheit aufpasse. Wir, meine Frau, eine anerkannte Gesundheitsberaterin, und ich, leben vegetarisch, rauchen nicht und leben auch sonst gesund.

GUIDO BARTH: Wo leben die Rastas in Jamaika eigentlich?

HANS SÖLLNER: Rastas leben eher zurückgezogen in Kingston oder in den Bergen, aber sicher nicht in den Touristen-Zentren in Montego Bay, in Port Antonio oder am Strand in Negril. Man muss schon ein bisschen in den Busch hinein - zu den einfachen Leuten.

GUIDO BARTH: Einfach - und arm?

HANS SÖLLNER: Ja, auch arm. Aber die Menschen gehen anders mit ihrer Armut um. Sie sind trotzdem fröhlich. Finanzielle Armut bedeutet nicht gleich, dass sie hungern. Das Land, auf dem sie leben, ernährt sie mit dem Nötigsten. Wenn man glaubt, all das zu brauchen, was die anderen auch haben - Autos, Drogen, Handys, Jeans oder so - dann ist man natürlich schlecht bedient.

GUIDO BARTH: Du hast Hühner zu Hause. Wofür?

HANS SÖLLNER: Ich esse die Eier, die sie legen - allerdings nur Eier von diesen Hühnern. Sie kriegen dafür das beste Futter, einen guten Stall und leben bis an ihr Lebensende bei mir. Als Bayer esse ich zum Beispiel ab und zu gerne Semmelknödel und dafür verwende ich die Eier.

GUIDO BARTH: Würdest du wieder Tiere essen, wenn sie besser behandelt werden würden?

HANS SÖLLNER: Die Frage habe ich mir früher gestellt und mit ja beantwortet. Inzwischen bin ich aber darüber hinweg, so dass sich die Frage nicht mehr stellt. Ich lebe jetzt seit gut fünfzehn Jahren vegetarisch und glaube, dass es mir wirklich schlecht gehen würde, wenn ich wieder Tiere essen würde. Außerdem habe ich mit dem Fleischessen ja nicht aus gesundheitlichen, sondern aus religiösen Gründen aufgehört.

GUIDO BARTH: Du lebst als Mensch und Künstler auch in einem permanenten Spannungsverhältnis zum Staat. Was änderst du damit gesellschaftlich?

HANS SÖLLNER: Ich ändere nichts und brauche nichts ändern, ich lebe einfach nur vor wie Bob Marley. Nichts weiter. Er hat Rasta sein, freie Sexualität und freien Konsum von Marihuana vorgelebt und für seine "schwarze" Welt war er ein Beweis dafür, dass Erfolg nichts mit Hautfarbe oder mit Herkunft zu tun hat.

GUIDO BARTH: Wie würdest du das beschreiben, was du machst?

HANS SÖLLNER: Ich bin friedlich; das mache ich für die Welt, die Kinder und meine Frau. Würde ich etwas ändern wollen, hätte ich ein Ziel - ich habe aber nur einen Weg. Ein Ziel wäre es zu sagen, ich möchte dass in zehn Jahren Frauen dasselbe Gehalt für dieselbe Arbeit bekommen wie Männer. Im Endeffekt ist es aber so, dass jede Änderung in den Köpfen der Leute stattfinden muss. Ich kann ja auch nicht rausgehen und die Leute zwingen, frei zu sein.


Mehr über Hans Söllner unter:
www.soellner-hans.de


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Quelle:
natürlich vegetarisch 03/11 - Sommer 2011, S. 11
62. Jahrgang
Vegetarierbund Deutschland e.V. (VEBU)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. August 2011