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VEGETARIERBUND/379: Vegetarische Ernährung bei Kindern und Jugendlichen (natürlich vegetarisch)


natürlich vegetarisch 01/12 - Winter 2011/2012
Das VEBU Magazin

Vegetarische Ernährung bei Kindern und Jugendlichen

von Dr. Markus Keller (unter Mitarbeit von Franka Schmidt)


Das individuelle Ernährungsverhalten von Erwachsenen wird maßgeblich durch die Essgewohnheiten in der frühen Kindheit geprägt. Eine ausgewogene und vollwertige vegetarische Kost kann schon im Kindes- und Jugendalter den Grundstein für eine gesundheitsfördernde Ernährungsweise legen, die auch später im Leben beibehalten wird. Zudem entwickeln sich die meisten ernährungsmitbedingten chronischen Erkrankungen über Jahrzehnte hinweg. So weisen in Studien bereits 30 % der 8-11-Jährigen und 70 % der 12-15-Jährigen Veränderungen der Blutgefäße auf, die die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen. Eine vegetarische Ernährung kann das spätere Risiko für Übergewicht und andere ernährungsmitbedingte Krankheiten senken und außerdem dem erhöhten Nährstoffbedarf in diesen Lebensphasen gerecht werden. Im Vergleich zu erwachsenen Vegetariern gibt es bisher weniger Studien, die vegetarisch lebende Kinder und Jugendliche untersucht haben. Dennoch lassen sich daraus wichtige Informationen ableiten.


Schulkinder (6-12 Jahre)

Der Nährstoffbedarf von Schulkindern ist dem von Erwachsenen bereits stark angenähert. Mit einer abwechslungsreichen lakto-(ovo-)vegetarischen Ernährung ist in dieser Lebensphase eine gute Nährstoffversorgung möglich, In einer Studie mit 7-11-jährigen Schulkindern wurden die Zufuhrempfehlungen für die meisten Vitamine und Mineralstoffe von deutlich mehr vegetarisch lebenden Kindern als Fleischessern erreicht. Bei der Versorgung mit Eisen und Zink schnitten die vegetarisch ernährten Kinder jedoch etwas schlechter ab. Ein Drittel der Fleisch essenden, aber die Hälfte der vegetarisch lebenden Kinder hatte sehr niedrige Eisenwerte (Hämoglobin). Bei vegetarisch ernährten Kindern sollte deshalb besonders auf die Eisen- und Zinkzufuhr geachtet werden. Neben eisen- und zinkreichen Lebensmitteln kommen im Bedarfsfall auch entsprechend angereicherte Produkte wie Frühstückszerealien in Frage.

Bei vegan lebenden Kindern sollte außerdem eine ausreichende Energiezufuhr sowie die Versorgung mit Kalzium und Vitamin B2 sichergestellt werden. Eine ausreichende Zufuhr von Vitamin B12 ist bei veganer Ernährung nach derzeitigem Wissensstand nur über die Verwendung von angereicherten Lebensmitteln oder Nahrungsergänzungsmitteln möglich. Unabhängig von der Ernährungsweise sollten sich Schulkinder regelmäßig im Freien aufhalten, da Sonnenlicht die Haut zur Produktion von Vitamin D anregt. In den Wintermonaten ist die Eigenproduktion jedoch stark eingeschränkt oder kommt ganz zum Erliegen. Entsprechend kann die Vitamin-D-Versorgung durch angereicherte Lebensmittel oder Vitamin-D-Präparate verbessert werden.

Untersuchungen haben gezeigt, dass ein hoher Verzehr von tierischem Protein, besonders aus Milch und Milchprodukten, im Alter von 5-6 Jahren in den folgenden Lebensjahren zu einem höheren BMI und Körperfettanteil führen kann.


Jugendliche (13-18 Jahre)

Während der Pubertät erhöht sich der Energie- und Nährstoffbedarf von Jugendlichen deutlich. Ein ausgeprägter Wachstumsschub findet bei Mädchen zwischen dem 10. und 13. Lebensjahr und bei Jungen zwischen dem 12. und 15. Lebensjahr statt. In dieser Phase steigt der Kalziumbedarf, da zusätzliche Knochensubstanz aufgebaut werden muss. Neben Milch und Milchprodukten können Hülsenfrüchte, "Sojafleisch", grünes Blattgemüse, Nüsse, Tofu, Mineralwasser und mit Kalzium angereicherte Soja- oder Getreidemilch als gute Kalziumquellen dienen.

In der Wachstumsphase nehmen das Blutvolumen und damit der Eisenbedarf zu. Besonders bei Mädchen besteht mit Einsetzen der Menstruationsblutung das Risiko einer Unterversorgung mit Eisen. Pflanzliche Eisenlieferanten, wie Vollgetreide, Hülsenfrüchte, Ölsamen, Nüsse, "Sojafleisch" und Trockenfrüchte, sollten für eine bessere Eisenaufnahme in Kombination mit Vitamin-C-reichen Lebensmitteln, wie Obst und Gemüse, gegessen werden. Da Zink in der körperlichen Entwicklung und der sexuellen Reifung eine Rolle spielt, steigt auch der Zinkbedarf in der Jugend. Ebenso wie bei Eisen liegt auch die Zinkversorgung bei vegetarisch lebenden Teenagern tendenziell etwas niedriger als bei Mischköstlern. Dennoch gelten beide Mineralstoffe bei allen Jugendlichen als potentiell kritische Nährstoffe, die besondere Aufmerksamkeit erfordern.

Bei einer veganen Ernährung sollten Jugendliche außerdem auf eine ausreichende Versorgung mit Vitamin B2 und Vitamin B12 achten.

Einige Studien zeigen, dass sich vegetarisch lebende Jugendliche meist gesünder ernähren als Fleischesser. In einer US-amerikanischen Studie erreichten mehr Vegetarier die gesundheitsfördernden Ernährungsempfehlungen, beispielsweise mindestens fünf Portionen Obst und Gemüse täglich zu verzehren sowie maximal 30 % der täglichen Energieaufnahme aus Fett und maximal 10 % aus gesättigten Fettsäuren zu decken. Auch die Versorgung mit Ballaststoffen, Folat, Eisen und Vitamin A war besser als bei den Fleischessern, die Vegetarier nahmen jedoch weniger Vitamin B12 zu sich. Die empfohlene Kalziumzufuhr wurde von beiden Gruppen nicht erreicht. Die Autoren der Studie kommen zu dem Schluss, dass eine vegetarische Ernährung im Jugendalter nicht als Problemphase oder Modeerscheinung gesehen werden sollte, sondern als gesundheitsfördernde Alternative zur üblichen Durchschnittskost.

Untersuchungen aus Schweden und Norwegen ergaben hingegen, dass vegetarisch lebende Schüler (Durchschnittsalter 15 Jahre) zwar deutlich mehr Gemüse, aber auch genauso viel Fast Food, Süßigkeiten und Alkohol konsumierten wie ihre nichtvegetarischen Altersgenossen.


Fazit

• Eine vollwertige vegetarische Ernährung im Kindes- und Jugendalter trägt zum Schutz vor chronischen Erkrankungen im späteren Leben bei.

• Schulkinder (6-12 Jahre), die sich vegetarisch ernähren, sind bei einer vielseitigen und vollwertigen Lebensmittelauswahl gut mit allen Nährstoffen versorgt; ein eingeschränkter Verzehr proteinreicher tierischer Lebensmittel im Kindesalter beugt der späteren Entstehung von Übergewicht vor.

• Auch bei Jugendlichen (13-18 Jahre) kann eine vollwertige vegetarische Ernährung den erhöhten Nährstoffbedarf leicht decken und gleichzeitig vor Übergewicht schützen.

• Gerade bei Jugendlichen bieten vegetarische Ernährungsweisen eine deutlich gesündere Alternative zur üblichen Durchschnittskost.

• Bei veganer Lebensweise sollte auf die Zufuhr kritischer Nährstoffe, wie Vitamin B12 (angereicherte Lebensmittel/Supplemente), Kalzium, Zink und Eisen, besonders geachtet werden.


Der Artikel "Kinder und Jugendliche" ist inklusive Literaturangaben auch unter www.vebu.de/gesundheit abrufbar.

Der VEBU empfiehlt außerdem das Kapitel 3 "Gesundheit" des Films "Making the connection" (Englisch mit deutschem Untertitel), zu sehen auf www.youtube.com/user/vegetarierbund.


Claus Heitzmann und Markus Keller
Vegetarische Ernährung
2. Aufl. 2010
S. 296-302
22,90 €
ISBN 978-3-8252-1868-3


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Quelle:
natürlich vegetarisch 01/12 - Winter 2011/2012, S. 14-15
63. Jahrgang
Vegetarierbund Deutschland e.V. (VEBU)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Februar 2012