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MIT DEM SCHATTENBLICK UNTERWEGS/0005: Bagger fressen Erde auf - Teil 2 "Verbrannte Seelen" (SB)


Bagger fressen Erde auf

Teil 2: Verbrannte Seelen


Es gibt Orte des Protests, die sind in aller Munde, die kennt jeder.

Stuttgart. Der Widerstand tausender gegen den Bau eines Tiefbahnhofs in der Baden-Würtembergischen Landeshauptstadt hat BRD- weit Beachtung erfahren. Die Halbwertzeit des öffentlich medialen Interesses an diesem Mamutbauprojekt und den Protesten dagegen dürfte sich in naher Zukunft jedoch als kurz erweisen. Schließlich hat eine demokratische Befragung, die Gegner von Stuttgart als Minderheit (41,2 %) enttarnt. In erklärter "Demut" hat der grüne Ministerpräsident unverzüglich sein Wort gegeben, die Meinung dieser Mehrheit (58,8 %) gegen die eigenen Überzeugung und die seiner Partei umzusetzen. Dank Volksabstimmung sind die Weichen also gestellt, die Gegner sind als solche in geringer Zahl kenntlich gemacht, Attribute wie kräftig und laut werden ihnen zugeschrieben und tun ein Übriges um sie und ihre Argumente zu deklassieren. Wer jetzt noch protestiert muss damit rechnen, sich als "Nicht-Demokrat" auf dem Abstellgleis des Politik-Bahnhofs wieder zu finden. Stuttgart 21 kommt.

Gorleben. Auch dieser Ort ist bekannt für seinen Widerstand. Seit Jahren gilt das ganze Wendland als Heimat der Protestbewegung gegen Atomtransporte, gegen eine Industrie, die ohne ein Endlager zu haben, radioaktiven Müll erzeugt und Castor um Castor ins Zwischenlager nach Gorleben tausende Kilometer durch Europa fahren lässt. Der 13. Transport hat unlängst 11 weitere Atombehälter in das Zwischenlager gebracht. Er hat mehr als fünf Tage gedauert und war damit der längste bisher. Immer wieder wurde er zwischen La Hague und Gorleben gestoppt. Landwirte ketteten sich an Gleise, Greenpeace-Aktivisten stellten einen Kleinlaster auf der Straße quer, 1500 Menschen setzten sich gemeinsam auf die Straße, um die Zufahrt zum Zwischenlager zu blockieren. Gorleben steht für eine sehr breite Front des Widerstandes.

Proschim ist als Ort des Protestes weit weniger bekannt. Der Ort und ein weiterer Stadtteil von Welzow in der Lausitz sollen dem Bergbau weichen, für die Braunkohlegewinnung zerstört werden. Vattenfall Europe hat einen entsprechenden Antrag gestellt. Das Planverfahren des Landes Brandenburg läuft bereits. Laut Braunkohlenplan-Entwurf sind für 810 Menschen die Tage in ihren Häusern gezählt - bis 2024 sollen sie umgesiedelt sein. Da das Verbrennen von Braunkohle, angesichts der immensen CO2-Belastung, als schmutzigste Art der Energiegewinnung bekannt ist, steht Proschim, zumindest was den energiepolitischen Irrsinn angeht, Gorleben gewiss in nichts nach. Und was die Tiefe der Einschnitte in Landschaft und Lebenswelt angeht, macht Proschim dem Stuttgarter Bahnhof allemal ernstzunehmende Konkurrenz. In Proschim fallen nicht nur Bäume. 120 Häuser, private und Firmengebäude, Weiden und Wiesen - alles soll planmäßig zerstört werden, um ein riesiges Loch noch größer zu machen und aus 130m Tiefe Braunkohle hervor zu buddeln und gewinnbringend zu vermarkten. Damit finden sich gute Gründe für Empörung und Widerstand in Proschim selbst und weit darüber hinaus. Dennoch weder von Massenprotesten vor dem Potsdamer Landtag noch von Sitzblockaden am Tagebau Rand in Welzow war bisher zu lesen oder zu hören. Im Gegenteil: Die Öffentlichkeit nimmt kaum Notiz von der existenziellen Bedrohung für die Menschen in der Lausitz, vom organisierten Raubbau an Natur- und Kulturlandschaft. Warum ist das so? Der Schattenblick hat diese Frage in Proschim gestellt, viele Antworten gehört und von den Mühen des Widerstandes erfahren. Mit dem Schattenblick unterwegs, dort wo Heimat zur Handelsware wird, am Rand des Braunkohletagesbaus Welzow Süd.



Sprecherin: Else Reich



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Einen ausführlichen, bildreichen Bericht und zwei Interviews zum Thema finden Sie im Schattenblick zum Nachlesen unter:

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BERICHT/012: Bagger fressen Erde auf - Gegen Landraub und Vertreibung (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umrb0012.html
INTERVIEW/010: Bagger fressen Erde auf - Widerstand braucht langen Atem (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0010.html
INTERVIEW/009: Bagger fressen Erde auf - Proschim streut Sand ins Getriebe (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0009.html

11. Januar 2012

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