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MARKT/042: Daimler stellt Studie für Elektromobilität und Beschäftigung vor (Gerhard Feldbauer)


Daimler stellt Studie für Elektromobilität und Beschäftigung (ELAB) vor

Alternative Antriebskonzepte als Chancen im Automobilsektor

von Gerhard Feldbauer, 2. Juli 2012



Die Daimler AG hat am Montag (2. Juli) in Stuttgart eine Studie für Elektromobilität und Beschäftigung (ELAB) vorgestellt, in welcher der technologische Wandel in der Automobilindustrie mit einem steigenden Produktionsanteil alternativer Antriebe zusammengefasst und grundsätzliche Chancen für die Beschäftigung im Automobilsektor einbezogen werden. Die Pressemitteilung hebt das als wesentliche Erkenntnis der "ELAB"-Studie, der ersten breit angelegten, praxisbezogenen Analyse der Auswirkungen des technologischen Wandels in der Automobilindustrie auf die Beschäftigung hervor. "ELAB" steht für "Auswirkungen der Elektrifizierung des Antriebsstrangs auf Beschäftigung und Standortumgebung". Die wesentlichen Ergebnisse der Studie wurden in Stuttgart von allen Projektbeteiligten gemeinsam vorgestellt und erläutert.


Prognose für 2030

In der Studie werden die Beschäftigungswirkung verschiedener "grüner" Antriebskonzepte untersucht, die aus heutiger Sicht im Jahr 2030 im Markt vertreten sein werden. Anhand von vier Marktszenarien - mit einem jeweils unterschiedlichen Mix der verschiedenen Antriebskonzepte - werden Aussagen über die Beschäftigungschancen in der gesamten automobilen Wertschöpfungskette getroffen. Von den Erkenntnissen der Studie werde somit die gesamte Automobilbranche profitieren.

Das Forschungsprojekt wurde vom Gesamtbetriebsrat der Daimler AG initiiert und im Dezember 2010 gemeinsam mit Daimler, der IG Metall Baden-Württemberg und der Hans-Böckler-Stiftung gestartet. Mit der Forschung beauftragt waren das Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, das IMU Institut und das Institut für Fahrzeugkonzepte des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt.


Prämissen der Studie

Von den Forschern wurden sechs unterschiedliche Antriebskonzepte und deren Komponenten als maßgeblich für die Zukunft definiert und näher betrachtet: der Mild-Hybrid, der Full-Hybrid inklusive seiner Plug-In-Variante, der so genannte Range Extender, reine Elektrofahrzeuge mit Batterie oder Brennstoffzelle sowie Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor.


Tatsächliche Marktentwicklung bis 2030 nicht möglich

Eine eindeutige Prognose über die tatsächliche Marktentwicklung der zukünftigen Antriebsarten bis 2030 sei, wie betont wurde, nicht möglich. Die Studie legt deshalb für die Prognose der Beschäftigungsentwicklung vier verschiedene Marktszenarien zugrunde: ein aus heutiger Sicht wahrscheinliches Referenzszenario sowie drei Extremszenarien. Damit werde der Unsicherheit der künftigen Entwicklung Rechnung getragen. In den Szenarien werden jeweils unterschiedliche Geschwindigkeiten beim Übergang vom Verbrennungsmotor zu verschiedenen "grünen" Technologien unterstellt.


Ergebnisse der Studie

Alle Szenarien prognostizieren einen steigenden Anteil alternativer Antriebe und trotzdem einen weiterhin bedeutenden Anteil der Verbrennungsmotoren. Durch das Nebeneinander mehrerer unterschiedlicher Antriebskonzepte ergebe sich bei der Betrachtung der analysierten Wertschöpfungskette eine in Zukunft mindestens stabile bis zeitweise steigende Beschäftigung in der Branche. Innerhalb der Wertschöpfungskette kann es der Studie nach zu tiefgreifenden Veränderungen kommen.

Da die komplexe Entwicklung und Produktion von Elektroautos derzeit noch von Marktunsicherheiten gekennzeichnet sei, müssten auch unternehmerische und wirtschaftliche Risiken für die Hersteller und Zulieferer berücksichtigt werden. Außerdem führe der technologische Wandel zu neuen Produktionsabläufen und -technologien. Bisher noch nicht eingesetzte oder völlig neu zu entwickelnde Fertigungsverfahren würden zum Einsatz kommen. Entsprechend veränderten sich die Anforderungen an die Qualifikation der Beschäftigten. Für diesen grundlegenden Wandel der Arbeitswelt in der Produktion müssten Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter auch zukünftige Kompetenz- und Qualifikationsanforderungen der Beschäftigten definieren und über die entsprechende Aus- und Weiterbildung im betrieblichen Alltag verankern.

Die nun vorliegenden Studienergebnisse bieten allen betrieblichen, gesellschaftlichen und politischen Akteuren eine fundierte Basis für eine weitere proaktive Gestaltung des Veränderungsprozesses sowie einen gemeinsamen Dialog zu diesem entscheidenden Zukunftsthema, heißt es.


Aussagen der Projektbeteiligten

Prof. Dr.-Ing. Dieter Spath, Leiter des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO fasste die Ergebnisse der "ELAB"-Studie zusammen: "Arbeitsplätze hinsichtlich der Elektrifizierung des Antriebsstrangs entstehen nicht nur in der Forschung und Entwicklung, sondern auch in der Produktion. Antriebsstrangproduzenten, die neben den konventionellen auch die nicht-konventionellen Antriebsstrangkomponenten wettbewerbsfähig produzieren können, werden in jedem der untersuchten Marktszenarien mit mindestens gleichbleibender Beschäftigung rechnen können."

Wilfried Porth, Personalvorstand und Arbeitsdirektor bei Daimler: "Die Veränderung der Antriebstechnologien vom Verbrennungsmotor zu neuen Antriebskonzepten wird über einen sehr langen Zeitraum mehrgleisig laufen." Aus personalpolitischer Sicht heiße das, dass ausreichend positive Beschäftigungspotenziale auch in Zukunft vorhanden seien. "Insgesamt werden die Unternehmen und damit auch wir als Daimler im Detail prüfen, welche Umfänge wir selbst produzieren und welche möglicherweise in Kooperationen wirtschaftlich und technologisch sinnvoll zu realisieren sind", so Porth weiter. "Die neuen Technologien stellen zudem Anforderungen sowohl an die interne Weiterqualifizierung als auch die Ausbildung, denen wir bei Daimler schon seit längerem erfolgreich begegnen. Es wird aber auch Herausforderungen geben, die über das hinausgehen, was Unternehmen alleine leisten können."

Prof. Dr. Thomas Weber, Vorstand für Konzernforschung und Mercedes-Benz Cars Entwicklung bei Daimler: "Nachhaltigkeit muss ein globaler Anspruch sein. Damit sich alternative Antriebstechnologien aber großflächig am Markt durchsetzen, müssen alle gemeinsam an einem Strang ziehen. Und wenn die Politik gleichzeitig stabile und faire Rahmenbedingungen für die Kunden schafft, wird es uns gemeinsam gelingen, die nächste Ära individueller Mobilität maßgeblich aus Deutschland heraus zu gestalten."

Erich Klemm, Gesamtbetriebsratsvorsitzender bei Daimler: "Die positiven Beschäftigungsprognosen der ELAB-Studie sind erfreulich. Damit ist allerdings keine Aussage darüber getroffen, wie sicher die Arbeitsplätze in den bestehenden Aggregatewerken bzw. in regionalen Automobilclustern sind. Darüber entscheiden die Unternehmen durch die Festlegung der Fertigungstiefe und der regionalen Produktionsstrukturen. Wir werden uns auf betrieblicher Ebene konsequent dafür einsetzen, dass die Elektromobilität die Chance der Beschäftigten in der Daimler AG wird und nicht ihr Risiko."

Jörg Hofmann, Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg: "Das Marktszenario, das sich durchsetzt, wird die Veränderungen der Wertschöpfungskette und damit die quantitativen und qualitativen Beschäftigungswirkungen, prägen. Ob dieser strukturelle Wandel sozial verträglich stattfindet und sogar neue Chancen für qualifizierte Beschäftigung eröffnet, oder ob er als Jobkiller für Belegschaften und Region wirkt, hängt von den Investitionsentscheidungen über Standorte und Produkte ab. Das Automobilcluster Baden-Württemberg hat gute Chancen - sie zu nutzen ist die Verantwortung aller Akteure."

Dr. Jürgen Dispan, Projektleiter und Wissenschaftler am IMU Institut: "Mit der Produktion von Hybrid- und Elektroautos ändern sich auch Qualifikationsanforderungen, die entsprechende Bildungsstrategien für die Beschäftigten in Fertigung und Montage erfordern. Einen wichtigen Part nimmt dabei die Qualifizierung 'Umgang mit Hochvolt-Systemen' ein. Erweiterte Kompetenzanforderungen für Produktionsbeschäftigte resultieren zusätzlich aus der Optimierung des Verbrennungsmotors. Nur mit qualifizierten Fachkräften kann die Industrialisierung der neuen Komponenten des elektrifizierten Antriebsstrangs in Deutschland gelingen - und damit Beschäftigung und Wertschöpfung gesichert werden."

Prof. Dr.-Ing. Horst E. Friedrich, Institutsleiter des Instituts für Fahrzeugkonzepte des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt: "Bis zum Jahr 2030 wird eine Vielzahl elektrifizierter Fahrzeugkonzepte parallel am Markt existieren. Rein verbrennungsmotorisch betriebene Fahrzeuge werden auch weiter einen hohen Marktanteil ausmachen. Durch die kontinuierlich steigende Elektrifizierung des Antriebsstrangs werden über Mild- Voll- und Plug-In-Hybride schließlich auch rein batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge zunehmend marktrelevant."

Dr. Nikolaus Simon, Sprecher der Geschäftsführung der Hans-Böckler-Stiftung: "Wir bedanken uns bei allen Forschern und Förderern der ELAB-Studie. Es liegen nun wissenschaftlich wertvolle sowie hoffentlich auch praktisch relevante Projektergebnisse vor. Dieser Projekttyp wird in der Forschungsförderung der Stiftung einen festen Platz finden."

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Quelle:
© 2012 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juli 2012